»Das Morgen im Heute«

»nd«-Wissenschaftsredakteur Steffen Schmidt über Revolutionen

Wie viele Revolutionen hast du schon erlebt?

De facto nur eine. Das reicht auch.

Zur Person
Dr. Steffen Schmidt, Jahrgang 1952, ist Wissenschaftsredakteur des »nd« und der Universalgelehrte der Redaktion. Auf fast jede Frage weiß er eine Antwort – und wenn doch nicht, beantwortet er eine andere.
Christof Meueler sprach mit ihm über Revolutionen.

War es ein Problem, dass in der DDR oft von Revolution geredet wurde, aber viele das Leben als nicht so revolutionär empfanden?

Das wurde so wahrgenommen, gerade von jüngeren Leuten. Die DDR-Rockband Renft hatte einen Refrain gedichtet: »Revolution ist das Morgen schon im Heute, ist kein Bett und kein Thron für den Arsch zufriedener Leute.« Das wurde 1972 sogar veröffentlicht.

Gab es nicht die meisten Revolutionen in der Musik?

Die Beatles waren auf jeden Fall eine. Aber die größte war wahrscheinlich die Tatsache, das man irgendwann mit Instrumenten in der Kirche spielen durfte.

Heutzutage ist ja dauernd von Revolution die Rede: bei Autos, in der Küche, bei Handys ...

Alles ist ganz furchtbar revolutionär, weil offenkundig keine Revolutionen mehr stattfinden. Das ist gut, weil niemand sterben muss, aber auch schlecht, weil es ohne sie geschichtlich nicht vorangeht. Interessanterweise wurden Revolutionen früher nicht so genannt.

Woher kommt denn dieses Wort?

Ursprünglich aus einem ganz harmlosen Zusammenhang, aus der Astronomie. Nikolaus Kopernikus, wenn man so will, selbst ein Revolutionär, hat sein Hauptwerk »Über die Kreisbewegungen der Weltkörper« genannt, auf Lateinisch natürlich: »De revolutionibus orbium coelestium«.

Ich dachte, die Engländer wären die Ersten gewesen, die Revolution gemacht haben?

Bei denen bekommt das Wort erstmals eine politische Bedeutung: die »Glorreiche Revolution« 1688/89. Das Oberste wird zuunterst gekehrt. Die Parteigänger der Restaurationskönige fielen in Ungnade, andere standen plötzlich ganz groß da.

Kurz vorher war Oliver Cromwell am Start. War das etwa keine?

Nee, der war für sie nicht glorreich. An einen geköpften König wollen sie wohl nicht so gerne erinnert werden.

Wenn Revolution ist, empfiehlt es sich, zu Hause zu bleiben?

Ich fürchte, diese Option hat man in der Regel nicht. Wenn Revolutionen wirklich erfolgreich sind, dann durchdringen sie die gesamte Gesellschaft. Es dreht sich alles um.

Daran scheiterte vor 100 Jahren die Novemberrevolution in Deutschland. Wurde sie wirklich von den Sozialdemokraten verraten?

Ob sie nun an der SPD gescheitert ist oder an der deutschen Mentalität, das ist eine Frage, die ich nicht beantworten könnte.

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