Werbung

Menetekel WLTP

Kurt Stenger über eine überraschende Erklärung des Wachstumseinbruchs

Die Bundesbank glaubt zu wissen, warum das Bruttoinlandsprodukt (BIP) nach längerer Boomphase zuletzt wieder geschrumpft ist: Die Autoindustrie hat die Umstellung auf den neuen Abgasprüfstandard WLTP vergeigt. Das ist natürlich stark übertrieben, aber aus monetaristischer Sicht ist der Einbruch eben unerklärbar: Der Staat ist defizitfrei, die Wirtschaft auf Export getrimmt, die Inflation niedrig - wie kann das BIP da den Rückwärtsgang einlegen?

Genau in dem, was die Bundesbank predigt, liegen die tieferen Ursachen. Der Staat zieht sich aus seiner Verantwortung für Konjunktur und Beschäftigung zurück, macht sich abhängig von Auslandsnachfrage. Ein einziger Donald Trump kann da schon die Aussichten verhageln. Die Weigerung des Staates, die Binnennachfrage zu stärken, sorgt eben nicht nur für berechtigten Ärger aus dem Ausland, sondern auch für ein maues BIP.

Was die Bundesbank ebenfalls nicht versteht, ist die Bedeutung der WLTP-Sache. Emissionsärmere Autos sind kein Wachstumshemmnis, sondern eine Herausforderung. Wirtschaftswachstum muss künftig klimaverträglich sein, denn anders sind die eigenen Klimaziele nicht zu erreichen. Es wird die wirtschaftspolitische Gretchenfrage sein, wie BIP-Wachstum, soziale Gerechtigkeit und Dekarbonisierung unter einen Hut zu bringen sind. Und so sind die Auswirkungen des WLTP-Debakels statistisch kein Drama, aber ein Menetekel.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal