Volltreffer aus der zweiten Reihe

Schalkes Steven Skrzybski gibt beim 5:2 gegen Nürnberg sein Startelfdebüt - mit zwei Toren

  • Daniel Theweleit, Gelsenkirchen
  • Lesedauer: 4 Min.

Fußballgefühle sind auf Schalke traditionell ein bisschen größer, leidenschaftlicher und vielleicht auch schmerzlicher als an den meisten Standorten der Bundesliga. Theatralik gehört hier zum Alltag. Schon vor dem 5:2 gegen den 1. FC Nürnberg hatten die Schalker ihre Fanfreundschaft zu den Franken mit einer spektakulären Choreographie gefeiert, und am Ende huldigten sie voller Hingabe einen neuen Helden. Einen Mann, der die königsblauen Herzen in Zukunft noch häufiger erwärmen könnte: »Steven Skrzybski, Steven Skrzybski«, brüllte das ganze Stadion, nachdem der Angreifer zum Hauptdarsteller eines für Schalker Verhältnisse geradezu ungezügelten Offensivschauspiels geworden war. Das 1:0 hatte Skrzybski selbst erzielt, das zweite Tor bereitete er mit einem zunächst noch abgeblockten Kopfball vor, in dessen Folge Amine Harit per Abstauber zum 2:0 traf, und als Schütze des vierten Schalker Treffers durfte er sich auch noch bejubeln lassen. Während Skrzybski in der 88. Minuten ausgewechselt wurde, erhoben sich die Menschen und applaudierten.

»Da ging vieles in mir vor und irgendwie auch nichts«, sagte der im Sommer vom 1. FC Union Berlin ins Revier gewechselte Stürmer. »Ich habe den Moment einfach genossen, aber ich bin keiner, der sich ins Licht stellen will, ich will eher mit der Mannschaft feiern.« Diese Demut war ein prägendes Element auf seiner kleinen Tour von Mikrofon zu Mikrofon, die er nach seinem ersten Startelfeinsatz in der Bundesliga absolvierte. Die Zusammenarbeit mit Guido Burgstaller in der Spitze habe »gut funktioniert«, erklärte Skrzybski, ob seine Chancen auf mehr Einsatzzeiten nun gestiegen seien, wisse er nicht und bei seinen Toren habe er »auch Glück« gehabt. So viel Zurückhaltung ist selten bei Stürmern.

In den vergangenen Jahren hat der gebürtige Berliner in 136 Zweitligaspielen 29 Tore und 18 Vorlagen zum Erfolg von Union beigetragen, allerdings ist er schon immer Schalke-Fan. In seiner Kindheit schlief er in königsblauer Bettwäsche, und als die Berliner 2001 im Pokalfinale auf Schalke trafen, stand der damals Achtjährige mit blau-weiß bemaltem Gesicht im Fanblock der »Eisernen«, für die er schon damals in der Jugend spielte. Nun ist er plötzlich ein Held seines Herzensklubs, der allerdings selbstkritisch einräumte: »Das war von den blanken Zahlen in Ordnung, es gibt aber noch Sachen, die ich defensiv verbessern kann.« Und damit war er bei einem zentralen Motiv dieser Partie angelangt.

Schalke 04 hatte in den elf Ligaspielen zuvor nur mickrige acht Treffer erzielt, nun kamen fünf Tore in 90 Minuten hinzu. »Wir haben uns vorgenommen, dass wir heute mal Feuer frei drauflos gehen, und das hat uns sehr, sehr gut getan, besonders am Anfang, wo wir viele Chancen hatten«, sagte Skrzybski. Für das Schalker Publikum war das eine Art Kulturschock. Die Partie wogte hin und her, beide Teams produzierten jede Menge Fehler überall im Mittelfeld klafften gewaltige Räume auf, und auch vor den Toren war jede Menge Betrieb. »Es ist immer die Frage der Balance und die haben wir heute im ersten Durchgang nicht ganz gefunden«, sagte Trainer Domenico Tedesco. Auch die Intensität war nicht so hoch, aber Nürnberg war ein guter Gegner für dieses Experiment. Denn zum einen mangelte es den Franken an Effizienz im Umgang mit den eigenen Chancen, und zum zweiten fehlte der Mannschaft von Trainer Michael Köllner die defensive Kompaktheit, um die Vertikalpässe von Amine Harit, Nabil Bentaleb und vor allem Daniel Caligiuri, der drei der fünf Treffer vorbereitete, zu verteidigen.

Dieses Element hatte den Schalkern bislang gefehlt. Manager Christian Heidel formulierte am Ende in Anspielung auf die verletzten Stammstürmer Mark Uth und Breel Embolo ungefragt folgenden Gedanken: »Wenn man bösartig sein will, könnte man sagen: Die Stürmer fallen aus und plötzlich treffen wir.« Aber einen Funken Wahrheit enthielten diese Worte. Die Frische, die mit Skrzybski ins Spiel kam, wirkte belebend. »Er ist zielstrebig, hat eine gute Mentalität und einen sehr guten Abschluss«, beschrieb Tedesco seinen neuen Hoffnungsträger für die bevorstehenden Wochen ohne Uth und Embolo, in denen das wichtige Champions-League-Spiel beim FC Porto, eine schwere Auswärtsfahrt nach Hoffenheim und das Revierderby anstehen.

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