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Maus, Katze, Bär & Co.

»›Brumm‹, sagte der Bär«: Christian Steyer liest die schönsten Tiergeschichten von Peter Hacks

  • Thomas Blum
  • Lesedauer: 4 Min.

Es herrscht schon lange ein großes Missverständnis in diesem Land: Ein Dichter gilt hier meist nur dann etwas, wenn er möglichst bedeutungs- und bleischwer klingende Satzgirlanden aneinanderreiht, und das möglichst humorfrei. Nicht selten muss das Erzählte vor Feierlichkeit triefen. Und wenn die Sätze nur oft genug mit erhobenem Zeigefinger daherkommen und mit einem Goldrand versehen sind, ist der deutsche Literaturkritiker zufrieden. Witz und ein virtuoser Umgang mit der Sprache hingegen werden nur selten belohnt.

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Peter Hacks: Das musikalische Nashorn und andere Tiergeschichten.
Gelesen v. Christian Steyer. Eulenspiegel Verlag, 1 CD, 12,99 €.

Eine Ausnahme ist erfreulicherweise der lange als »DDR-Dramatiker« (ganz so, als handele es sich bei dieser Tätigkeit um eine, die ausschließlich um eines Staates willen ausgeübt wird) und stalinistischer Dandy geschmähte Peter Hacks, der, weil er zeit seines Lebens vom Kommunismus nicht lassen wollte, bis heute vom Betrieb nicht aufgenommen wird in den Club der großen toten Dichter. Von seinem umfassenden kunstphilosophischen, essayistischen und dramatischen Werk abgesehen, hat Hacks auch zahlreiche ebenso possierliche wie lehrreiche Tiergeschichten verfasst, die - sieht man einmal von den dieselbe sprachliche Eleganz und denselben zartfühlenden Humor aufweisenden Tiergeschichten Robert Gernhardts ab - ihresgleichen in der deutschsprachigen Literatur nicht haben.

Da ist etwa die »himmelblaue Maus«, die von der Katze verschont wird, oder die Geschichte von Leberecht, der vor seinem Fenster sitzt, vor dem es immer regnet und von dem aus er die auf einem Klapprad vorüberfahrende dicke Frau Probst und ein graugelbes Kätzchen mit einer Golduhr im Maul beobachtet. Die Geschichte beginnt folgendermaßen: »Diese Geschichte fand ich vorgestern um die elfte Stunde im Gras neben dem Fußweg zwischen Deutschwusterhausen und Brusendorf. Der ehrliche Verlierer wird dringend gebeten, sie bei mir abzuholen; denn sie gefällt mir nicht.«

Fehlen darf logischerweise auch nicht Hacks’ fast 50 Jahre alter, heiterer Kinderbuchklassiker »Der Bär auf dem Försterball«, in der ein Bär, der sich als Förster verkleidet hat, die versammelten Waldhüter an der Nase herumführt und ihnen sogar die (selbstverständlich leere) Bärenhöhle zeigt.

»›Brumm‹, sagte der Bär, und sein Bass war so tief wie die Schlucht am Weg, in die die Omnibusse fallen.«

Der eine oder die andere mag vielleicht darauf verweisen, dass Hacks’ Ausdrucksweise zuweilen ins Antiquierte und vermeintlich Gezierte spielt, doch das erscheint natürlich nur demjenigen so, der mit dem verkümmerten Spiegel-Online-Deutsch unserer Gegenwart sozialisiert wurde und sich an den erfolgreichen Siegeszug der heute gängigen Stammel- und Stummelsprache längst gewöhnt hat. Dass Hacks’ an Goethe geschultes Deutsch für manchen heute etwas umständlich oder betulich klingen mag, liegt wohl daran, dass dieses Deutsch heute, in Zeiten von Twitter, Instagram, beständig geringer werdenden Aufmerksamkeitsspannen und rasant wachsender allgemeiner Verblödung, als so gut wie ausgestorben gelten kann. Das Vergnügen an Hacks’ formvollendeter Sprache, seinem Fantasiereichtum und an der Originalität seiner Einfälle bleibt jedoch nicht der einzige Gewinn für den Hörer, ganz gleich, ob es sich bei diesem nun um ein Kind oder einen Erwachsenen handelt. Auch fürs Leben zu lernen gibt es viel, vor allem über Freundschaft und Solidarität. »Ich habe keine Kinder und kenne folglich keine und habe aus diesen beiden Gründen wenig Mühe, mir meine gute Meinung über sie zu erhalten.« (Peter Hacks)

Unweigerlich kommen einem beim Zuhören auch die Fabeln Äsops und A. A. Milnes »Pu der Bär« in der unübertroffenen Interpretation Harry Rowohlts in den Sinn. Was aber auch an der wandlungsreichen Bassstimme des Schauspielers liegen mag, der Hacks’ Kurzerzählungen hier so raffiniert zum Vortrag bringt: Vorgelesen werden die auf dieser CD versammelten Geschichten nämlich von Christian Steyer, dessen Stimme man vor allem aus der MDR-Fernsehserie »Elefant, Tiger & Co.« kennt. Er flötet, brummt und schnurrt uns die Erzählungen und Kurzprosastücke so vor, dass es eine wahre Freude ist.

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