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Gewalt statt Schutz

Prozess gegen Security von Flüchtlingsunterkunft / Betreiber fordert Konsequenzen

  • Marie Frank
  • Lesedauer: 3 Min.

Immer wieder geraten Sicherheitsmitarbeiter*innen von Flüchtlingsunterkünften wegen gewalttätigen Übergriffen auf die Heimbewohner*innen in die Schlagzeilen. Oft wird die Gewalt von der Leitung geduldet oder gar befördert. Vergangene Woche erst wurde der Leiter einer Flüchtlingsunterkunft im nordrheinwestfälischen Burbach wegen Freiheitsberaubung zu einer Bewährungsstrafe verurteilt, weil er die Flüchtlinge wiederholt in ein sogenanntes Problemzimmer sperren ließ. Zudem sollen Wachleute und Betreuer die eingesperrten Bewohner*innen wiederholt geschlagen, getreten und auch gedemütigt haben.

Auch in Berlin läuft vor dem Amtsgericht Tiergarten derzeit ein Verfahren gegen zwei Sicherheitsmitarbeiter einer ehemaligen Notunterkunft in Karlshorst, die im Februar 2016 einen Flüchtling geschlagen haben sollen. In diesem Fall war der Heimleiter allerdings nicht Mittäter, sondern Opfer der gewalttätigen Auseinandersetzung: Als er den Tumult schlichten wollte, sollen ihm die Securitys einen Metall-Aschenbecher gegen den Kopf geworfen haben. Der 35-jährige Christoph W. erlitt schwere Verletzungen, brach bewusstlos zusammen und lag anschließend eine Woche im Krankenhaus. Hani L. und Agasi H., 23 und 29 Jahre alt, mussten sich wegen Körperverletzung und Nötigung vor Gericht verantworten. Das Verfahren wurde am Mittwoch gegen Geldauflagen vorläufig eingestellt.

Betreiber der Unterkunft war die Sozialdiakonische Stiftung »Gemeinsam Leben Gestalten«. Deren Vorstandsvorsitzender, Michael Heinisch, fordert nun eine Anbindung des Sicherheitspersonals an die Flüchtlingsunterkünfte: »Die Security beauftragt das Land Berlin. Das ist ihr Auftraggeber - weit weg von den Prozessen, was die Gefahr von destruktiven eigendynamischen Prozessen unter Security-Mitarbeitern fördert. Das muss sich ändern«, fordert Heinisch.

Die Senatsverwaltung für Integration zeigt sich von dem Vorstoß überrascht, hatte man doch das Ausschreibungsverfahren für die Sicherheitsdienste erst 2017 von den Betreibern auf das Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten übertragen: »Wir haben das ganz bewusst verändert, da es in der Vergangenheit Probleme mit Sicherheitsdiensten gab und wir so mehr Einfluss auf die Auswahl haben«, sagte eine Sprecherin dem »nd«. Die Securitys würden zudem vom LKA regelmäßig überprüft. Für Heinisch ist das keine gute Lösung, seiner Meinung nach lassen sich die Sicherheitsdienste besser kontrollieren, wenn sie direkt beim Betreiber angestellt sind.

Doch lässt sich die Gewalt durch Sicherheitsmitarbeiter*innen wirklich dadurch verhindern, dass sie von den meist privaten, Betreiberfirmen direkt beauftragt werden? Bernd Mesovic von Pro Asyl bezweifelt das. »Es gibt keine idealtypische Lösung. Alle Beteiligten müssen schauen, wie sie die Kontrolle gemeinsam wirksam ausüben können«, sagt Mesovic dem »nd«. »Die Sicherheitsleute sind meist schlecht ausgebildet und werden oft aus Milieus rekrutiert, wo sie mit Gewalt zu tun hatten«, gibt er zu bedenken.

Wichtig sei, dass die Zuständigkeiten und der Auftrag der Security klar ist, sagt Mesovic. Das war in Karlshorts eigentlich eindeutig geregelt: »Eigentlich war ihr schriftlicher Auftrag der Brandschutz. Die haben nur was anderes gemacht, nämlich Macht und Gewalt gegenüber Flüchtlingen und letztlich auch den Betreuern etabliert«, sagt Michael Heinisch und räumt ein, dass er die Security aufgrund mangelnder Erfahrung zu lange habe gewähren lassen.

Dass überhaupt Security notwendig ist, liegt laut Heinisch auch an der Größe der Unterkünfte für Flüchtlinge, die er am liebsten dezentral unterbringen würde: »Es ist nicht angemessen, dass Geflüchtete langfristig in größeren Gruppen konzentriert, bewacht, versorgt und an der Erwerbsarbeit gehindert werden«, findet er. Das Zusammensein von vielen Menschen gleicher Problemlagen würde destruktive Prozesse nur befördern.

Auch Bernd Mesovic hält große Flüchtlingsheime für Krisenherde aller Art. »Je wohnungsähnlicher desto besser«, findet er. Rückzugsmöglichkeiten für Geflüchtete würden viele Konflikte von vornherein verhindern.

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