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Düstere Kinderwelt
Mobbing, Gewalt in der Schule und gestresste Eltern - eine Umfrage unter Schülern bringt überraschende Antworten
Eine Kleinfamilie ist recht überschaubar, auf den ersten Blick zumindest. Doch die Interessenlagen können denkbar unterschiedlich sein und das Zusammenleben arg strapazieren. Die Rollen der Eltern, so legen es verschiedene Studien der vergangenen Jahre nahe, gleichen sich in den Familien zusehends an: Väter drängen auf mehr Teilhabe am Familienleben; viele möchten ihre Arbeitszeit reduzieren, um mehr Zeit für die Familie zu haben. Die Mütter drängen häufig auf eine frühere Rückkehr in den Beruf.
Und die Kinder? Ihre Sicht auf die Familie spielt bislang eigentlich keine Rolle. Zwar wird über das Kindeswohl berichtet oder über Kinderarmut. Aber diese meint vor allem die Armut von Erziehungsberechtigten. Kinder gelten als unmündig, über sie wird entschieden, in den meisten Fällen ungefragt.
Um so bemerkenswerter ist die am Dienstag veröffentlichte Untersuchung der Bertelsmann-Stiftung mit dem Titel: »Frag sie doch selbst!«. Die Sozialwissenschaftlerin Sabine Andresen von der Goethe-Universität in Frankfurt am Main hat dafür im vergangenen Schuljahr 3450 Mädchen und Jungen im Alter von acht bis 14 Jahren nach ihren Befindlichkeiten befragt. »Kinder und Jugendliche sind Experten. Wissenschaft und Politik sollten sie zu ihren Rechten, Interessen und Bedarfen systematisch und regelmäßig anhören«, forderte Andresen.
Das Ergebnis der Befragung spiegelt viele Facetten aus dem Leben der Kinder wider. Es macht klar, dass gutes Aufwachsen mehr bedeutet als eine finanzielle Absicherung der Familie. So bemängeln etwa fünf Prozent der Achtjährigen, dass es zu Hause oft niemanden gibt, der sich um sie kümmert. Bei den älteren Kindern beklagen gar zehn Prozent fehlende Zeit der Eltern.
Zwar wird vielerorts der Wunsch der Eltern nach einer Balance von Arbeit und Familie geäußert. Aber oft bleibt eine Doppelbelastung von Beruf und Familie bestehen, die das Wohlbefinden der Kinder beeinträchtigt. Das zumindest legen die Aussagen der Befragten nahe.
Zugleich haben viele Kinder Angst vor Armut. Mehr als die Hälfte der Interviewten gab an, sich um die finanzielle Situation ihrer Familie Sorgen zu machen. Doch scheint das häufig eine diffuse Furcht zu sein, denn die meisten Kinder sind laut der Befragung mit der materiellen Ausstattung ihrer Familien zufrieden und verspüren keinen Mangel.
Katja Kipping findet das Ergebnis der Studie dennoch beachtenswert. Die Vorsitzende der Linkspartei mutmaßt, dass diese gefühlte Unsicherheit häufig aus prekärer Arbeit wie befristeten sowie schlecht bezahlten Jobs der Eltern resultiert. »Die Angst vor Erwerbslosigkeit und steigenden Mieten spüren auch Kinder, die nicht unmittelbar von Armut bedroht sind.« Eine solche Unsicherheit wirke entmutigend, schlussfolgert Kipping.
Die Schulen als zentrale Bildungseinrichtungen können bei diesen Ängsten offenbar nicht entscheidend gegensteuern. Im Gegenteil: Jedes dritte Kind an einer Haupt-, Gesamt- oder Sekundarschule fühlt sich nicht sicher. Mobbing und Gewalt sind vor allem an diesen Schulen ein großes Thema - weitaus häufiger als an Gymnasien oder Grundschulen, wo sich nur jedes fünfte Kind bedroht fühlt. Jörg Dräger, Vorstand der Bertelsmann-Stiftung, schlägt angesichts dieser Zahlen Alarm: »Kinder müssen sich an ihrer Schule sicher fühlen können. Das ist eine Grundvoraussetzung für Lernen und Chancengerechtigkeit.«
Fatalerweise schwindet bei den Schülern mit dem Heranwachsen auch das Vertrauen in die Lehrer. Würden sich laut der Befragung noch vier von fünf Grundschülern den Pädagogen bei Problemen anvertrauen, so nimmt der Anteil bei den 14-Jährigen auf knapp die Hälfte ab. Hier sehen die Autoren der Studie dringenden Handlungsbedarf.
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