Damit das Recht kein Zwang wird

Vom Homeoffice würden fast nur Angestellte profitieren. Und längst nicht alle wollen gerne Zuhause arbeiten

  • Alina Leimbach
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Handwerker*innen sollen kommen, das Kind ist krank, oder die lange Anfahrt zum Arbeitsplatz strengt einfach nur an: Es gibt einige gute Gründe für Beschäftigte, warum sie Homeoffice nutzen wollen. Nachdem bereits die Grünen und der DGB sich für ein »Recht auf Homeoffice« ausgesprochen haben, will nun auch die SPD und Arbeitsminister Hubertus Heil das Thema angehen. Noch in diesem Jahr soll laut Heil ein entsprechendes Gesetz im Bundestag beschlossen werden. Der Vorstoß ist Teil des »Sozialstaat 2025«-Konzepts der Partei. »Homeoffice ist bei Millionen Arbeitsplätzen möglich«, erklärt die SPD-Partei- und Fraktionschefin Andrea Nahles. »Wir wollen jetzt die gesetzlichen Grundlagen schaffen, dass aus dem Wunsch ein Recht für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wird.«

Auf nd-Anfrage konnte das zuständige Arbeitsministerium noch keine genaueren Angaben machen, bis wann ein Gesetzesentwurf vorgelegt werden soll. Auch zur Frage, wie geregelt werden soll, dass Zuhause-Arbeitende keine Überstunden machen, wollte sich das Ministerium noch nicht äußern. Absehbar ist, dass der Umfang des Rechts auf Homeoffice - ob Beschäftigte beispielsweise »Vollzeit-Homeoffice« machen können - Verhandlungssache bleiben wird. Der »Hannoverschen Allgemeinen Zeitung« hatte der Arbeitsstaatssekretär Björn Böhning gesagt: »Dazu werden wir im Gesetz nichts vorschreiben. Diese Fragen müssen Arbeitnehmer und Arbeitgeber untereinander regeln.«

Inwiefern Heil das Gesetz umsetzen kann, ist derzeit unklar. Der arbeitsmarktpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Peter Weiß (CDU), sagte der dpa: »Auch wenn es viele Bereiche gibt, in denen Homeoffice sinnvoll eingesetzt werden kann, lehnt die CDU/CSU-Bundestagfraktion einen gesetzlich geregelten Anspruch auf Homeoffice ab.« Auch im Koalitionsvertrag ist das Recht auf Homeoffice nicht direkt festgehalten worden. Es findet sich allerdings der Verweis: Man werde Modelle »entwickeln, mit denen mehr Spielraum für Familienzeit geschaffen werden kann. Die Chancen der Digitalisierung wollen wir nutzen, um den Beschäftigten mehr Zeitsouveränität zu ermöglichen.«

Derzeit arbeiten laut dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung etwa zwölf Prozent aller Beschäftigten gelegentlich im Homeoffice. Bei rund 40 Prozent der Beschäftigten wären die technischen Voraussetzungen dafür gegeben. Allerdings: Dies trifft vor allem Angestellte. In einer Auswertung des Bundesarbeitsministeriums von 2015 geht hervor, dass während 60 Prozent der Angestellten Heimarbeit wahrnehmen können, das nur bei zwei Prozent der Arbeiter*innen der Fall ist. Und: Nicht jeder möchte das Angebot nutzen. Zehn Prozent der Beschäftigten wollen laut Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung auch bei vorhandener Möglichkeit keine Heimarbeit. Die Gewerkschaften sehen das Vorhaben mit gemischten Gefühlen. Sie möchten zwar eine Humanisierung der Arbeit, fürchten aber zugleich, dass sie Zuhause Arbeitende schlechter erreichen können.

Jessica Tatti, Sprecherin der LINKEN für Arbeit 4.0, sagte dem »nd«: »Ich begrüße den Vorstoß von Hubertus Heil, dass Beschäftigte ein Recht auf Homeoffice bekommen sollen, soweit dies bei ihrer Tätigkeit möglich ist.« Allerdings mahnte sie an, dass das Recht auf Homeoffice mit festen Regeln einhergehen müsse: »Überstunden müssen vollständig erfasst und vergütet werden. Auch Homeoffice-Beschäftigte brauchen einen ungestörten Feierabend. Daher muss das Gesetz von Minister Heil auch zwingend ein Recht auf Nicht-Erreichbarkeit enthalten.« Dazu brauche es ein Rückkehrrecht zum festen Arbeitsplatz im Büro. Die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Grünen, Beate Müller-Gemmeke, findet ein Recht auf Homeoffice erstrebenswert: »Die Vorteile vom Homeoffice liegen auf der Hand: bessere Vereinbarkeit, mehr Lebenszufriedenheit, weniger Fahrzeit.« Allerdings betont auch sie: »Arbeit im Homeoffice kann nur freiwillig sein.« Um den Arbeitsschutz auch Zuhause zu gewährleisten, fordert sie ein Nichterreichbarkeitsgesetz wie in Frankreich.

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