- Wirtschaft und Umwelt
- Linke Industriepolitik
Der aktive Staat ist wieder gefragt
In der LINKEN diskutiert man mit Ökonomen und Gewerkschaftern über eine nachhaltige und soziale Industriepolitik
Nicht nur die Bundesregierung spricht wieder über Industriepolitik. Auch in der Linken diskutiert man über das Thema. Bei einem Fachgespräch im Bundestag diskutierten linke Wirtschaftspolitiker, Gewerkschafter und Wissenschaftler am Dienstag über industriepolitische Strategien. Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der LINKEN im Bundestag, Fabio De Masi, und ihr industriepolitische Sprecher, Alexander Ulrich, stellten ein Thesenpapier zum Thema vor.
Die Vorlage kam allerdings von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier, der nach jahrzehntelanger Dominanz der Ideologie des freien Marktes, der totgesagten Industriepolitik neues Leben einhaucht. Bereits im Februar wartete der CDU-Mann mit einer »Nationalen Industriestrategie 2030« auf, mit der in Schlüsselindustrien durch gezielte staatliche Vorteilsbehandlung »nationale und europäische Champions« aufgebaut werden sollen. Konkreter wurde Altmaier mit der Ankündigung einer europäischen Batteriezellenfertigung oder dem zuletzt vorgeschlagenen »KI-Airbus«.
Während der vermeintliche Wunschkoalitionspartner FDP gegen die »Übernahme chinesischer Instrumente« wettert, bekommt CDU-Mann Altmaier Zuspruch von links. »Die LINKE begrüßt das neue Bekenntnis der Bundesregierung zur Industriepolitik. Altmaiers ›Nationale Industriestrategie 2030‹ verdeutlicht, dass Eingriffe in Märkte notwendig sind«, beginnt das Papier von De Masi und Ulrich zunächst.
»Herr Altmaier hat auch schon mal zwei Stunden Vorlesung bei mir gehört. Und davon hat er sich offenbar was gemerkt«, sagte der frühere Wirtschaftsweise Peter Bofinger, der an dem Fachgespräch teilnahm. Der Ökonom, der im Sachverständigenrat meist eine Minderheitenposition vertrat, betonte weiter, dass gerade in unsicheren Zeiten ein aktiver Staat gefragt sei. Dieser sei gegenüber den Unternehmen der überlegene Akteur. China betreibe schon lange eine »strategische Industriepolitik«. Die Solarenergie zeige gut: »Wenn sich die Chinesen vornehmen einen Markt zu übernehmen, dann bekommen sie das auch hin.« Als Nächstes zielten sie auf die Automobilindustrie.
Natürlich gab es auch Kritik am Ansatz der Bundesregierung. So betonte Astrid Ziegler, die beim Bundesvorstand der IG Metall arbeitet, die Notwendigkeit Industriepolitik mit den Beschäftigten gemeinsam zu entwickeln und kritisierte, dass Altmaier den ordnungspolitischen Rahmen der sozialen Marktwirtschaft zu stark betone. Dieser konterkariere seine eigenen Vorschläge.
Als Fortschritt wurde vor allem gewertet, dass überhaupt wieder über eine aktive Rolle des Staates in der Wirtschaft diskutiert werden kann. Kritik haben die Abgeordneten allerdings an den Schwerpunkten des Wirtschaftsministers. So liest sich LINKEN-Politiker Ulrich zufolge Altmaiers Papier, »als ob er sich auf jeder Seite dafür entschuldigt, was er auf der letzten Seite geschrieben hat«.
In dem Thesenpapier der LINKEN heißt es zur Schaffung europäischer Champions: »Marktmacht muss begrenzt werden. Wo natürliche Monopole existieren, müssen diese demokratisch kontrolliert werden.« So sei beispielsweise eine zentrale, europäische Produktion von Fernverkehrszügen aus ökologischen Gründen sinnvoll, während im Energiesektor kommunale Versorger einem Kartell großer Konzerne vorzuziehen seien.
Weitere Schwerpunkte des Papiers sind etwa die Forderung nach einem stärkeren Fokus auf grüne Zukunftstechnologien, die gezielte Förderung kleiner und mittlerer Unternehmen sowie eine Re-Regionalisierung von Wirtschaftskreisläufen.
Die LINKE will die Diskussion über Industriepolitik fortführen. Schließlich brauche die Politik eine »Mission«, betonte De Masi abschließend: »Wir müssen die Beschäftigten in der Autoindustrie schützen und für den ökologischen Wandel begeistern, damit sie gemeinsam mit den Schülern von Fridays for Future auf die Straße gehen.«
Wir stehen zum Verkauf. Aber nur an unsere Leser*innen.
Die »nd.Genossenschaft« gehört denen, die sie lesen und schreiben. Sie sichern mit ihrem Beitrag, dass unser Journalismus für alle zugänglich bleibt – ganz ohne Medienkonzern, Milliardär oder Paywall.
Dank Ihrer Unterstützung können wir:
→ unabhängig und kritisch berichten
→ übersehene Themen in den Fokus rücken
→ marginalisierten Stimmen eine Plattform geben
→ Falschinformationen etwas entgegensetzen
→ linke Debatten anstoßen und weiterentwickeln
Mit »Freiwillig zahlen« oder einem Genossenschaftsanteil machen Sie den Unterschied. Sie helfen, diese Zeitung am Leben zu halten. Damit nd.bleibt.