Das Stacheltier
Der Journalist Georg Honigmann überlebte den Holocaust, weil er schon 1931 als Korrespondent der »Vossischen Zeitung« nach London geschickt wurde und dort nach 1933 blieb. Er arbeitete unter anderem für Reuters, kam mit Litzi Friedmann zusammen, die mit dem späteren sowjetischen Doppelagenten Kim Philby verheiratet war, und wurde Kommunist. Nach dem Krieg ging er nach Ostberlin und wurde Chefredakteur der »BZ am Abend«, wechselte zur DEFA, heiratete die Schauspielerin Gisela May, wurde Direktor des Kabaretts »Die Distel« und starb 1984 in Weimar. Memoiren hat er nie geschrieben, aber sich stets mit seiner Tochter, der Schriftstellerin Barbara Honigmann, unterhalten, die nun seine Lebensgeschichte aufgeschrieben hat. In »Georg« erzählt sie, die aus der Beziehung mit Litzi Friedmann stammt, ebenso herzlich wie lakonisch von seinen vier Ehen und wie er »als charmanter, unwiderstehlicher Misanthrop« den Genossen als zu bürgerlich erschien, als sei er »nie über Hermann Hesse hinausgekommen«. Nach den Unruhen 1953 entwickelte er für das Kino mit der satirischen Kurzfilmreihe »Das Stacheltier« einen »lustigen sozialistischen Realismus« und förderte die jungen Talente Manfred Krug, Jurek Becker und Heinar Kipphardt, wie er später bei der »Distel« auch den damals frechen Wolf Biermann unterstützte. Von der Niederschlagung des »Prager Frühlings« 1968 war er sehr enttäuscht: »Obwohl er in seinem Leben immer wieder Frauen, Freunde, Familie, Wohnungen und Orte verlassen hatte - die Partei verließ er nicht, den ›stumpfen Kern des Kommunismus‹ hat er doch nicht wahrhaben wollen«, schreibt seine Tochter, die sich daran erinnert, wie sie früher zu ihm immer sagte: »Erzähl weiter, Papi.« (Hanser, 157 S., geb., 18 €) nd
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