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Daniela Klette: Abschrecken und vernehmen
Wer Daniela Klette besucht, bekommt es mit dem Generalbundesanwalt, dem BKA und dem BGH zu tun
Die Bundesanwaltschaft hat mir ein Ordnungsgeld von 500 Euro auferlegt, das vom Bundesgerichtshof in einem Schreiben letztinstanzlich bestätigt wurde. Mein Vergehen: Ich besuche die in der JVA Vechta inhaftierte Daniela Klette und leistete der Vorladung zur Vernehmung durch das Bundeskriminalamt, die allen Personen ins Haus flattert, die Kontakt zu Daniela Klette unterhalten, keine Folge. Mit Klette bin ich seit Ende der 70er Jahre bekannt und konnte erst im vergangenen Jahr, nachdem sie verhaftet worden war, nach 45 Jahren wieder Kontakt zu ihr aufnehmen.
Vor 13 Jahren musste ich mich einer Bypass-Operation unterziehen. Ich habe nach einer der alle drei Monate stattfindenden Untersuchungen im Rahmen des von der Krankenkasse angeregten Herzprogramms ein Attest meines Hausarztes vorgelegt, aus dem hervorgeht, dass ich an einer koronaren Herzerkrankung, an Hypertonie und Herzrhythmusstörungen leide, was unter Stressbedingungen zu einem Herzinfarktrisiko führen könnte. Im BGH-Schreiben an mich von Frau Dr. Adams wurde die koronare Herzerkrankung zu »Beschwerden« geschrumpft.
Schafft es der Körper nicht, den Blutdruck zu regulieren, so Prof. Dr. Philipp Stawowy, Kardiologe und stellvertretender Klinikdirektor des Herzzentrums der Charité, können Betroffene bei abweichenden Werten einen Notfall erleiden: »Es kann zu lebensbedrohlichen Situationen kommen wie Hirnblutung, Schlaganfall oder ein Einreißen der großen Körperschlagader«, wird er im »Hamburger Abendblatt« zitiert. Auf der Website »Sana Medizinwelten«, heißt es, dass bei einem anhaltenden Bluthochdruck Herzinfarkt, Herzschwäche oder ein Schlaganfall drohen: »Dafür reicht schon ein nur leicht erhöhter Blutdruck.«
Diese Aussagen hätten die Ermittlungsbehörden mühelos im Internet ermitteln können. Stattdessen zogen sie das Attest meines Hausarztes, dessen Prognosefähigkeit ich mein Leben verdanke, wiederholt in Zweifel. Ignoriert wurde auch ein von mir zitiertes Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, wonach einem amtsärztlichen Befund nur bedingt eine höhere Bedeutung zukommt als einem hausärztlichen, da Beweise gleichzubehandeln sind.
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Mein Hausarzt überwies mich an eine kardiologische Praxis. Dort wurden weitere Untersuchungen unternommen bzw. veranlasst. Das Attest meines Hausarztes wurde von den Ermittlungsbehörden angezweifelt, und ich wurde zu einer amtsärztlichen Untersuchung aufgefordert. Da offenbar bei den Behörden nicht bekannt ist, dass ich, wie mir das Gesundheitsamt Düsseldorf mitteilte, keinen Amtsarzttermin vereinbaren kann, sondern dieser amtlicherseits in Auftrag gegeben werden muss, teilte ich dem BKA diesen Sachverhalt mit. In der Folge ignorierten die Ermittlungsbehörden, dass kardiologische Untersuchungen veranlasst waren, um beim Amtsarzt die dort gewünschten Befunde vorlegen zu können.
Kardiologische Erkrankungen erfordern eine genaue und differenzierte Beurteilung, die der Amtsarzt im Rahmen einer routinemäßigen Begutachtung nicht leisten kann. Er wird vielmehr das Ergebnis einer kardiologischen Untersuchung in sein Gutachten einbeziehen, zumal er gegebenenfalls en détail darlegen muss, wieso das hausärztliche Attest zu beanstanden sei.
Der Hinweis auf die ausstehenden notwendigen kardiologischen Untersuchungen wurde als Entschuldigung für mein Nichterscheinen beim Vernehmungstermin nicht anerkannt. Zudem sollte die Vernehmung ausgerechnet in der Hitzewelle des Sommers stattfinden, während der die Gesundheitsbehörden auch Nichtkranke ermahnten, wegen der gesundheitlichen Gefährdung sich möglichst nicht der Hitze auszusetzen.
Die Ermittlungsbehörden nahmen das Herzinfarktrisiko billigend in Kauf und verhängten das Ordnungsgeld, das als Abschreckung dienen soll, mit der Untersuchungsgefangenen Daniela Klette in Kontakt zu treten. Dabei blieb völlig unberücksichtigt, dass das Ordnungsgeld meine geringere monatliche Rente übersteigt, sodass ich bei Zahlung des Ordnungsgeldes fünf Wochen lang ohne einen Cent dastehen, also verhungern würde. Ein Existenzminimum existiert für die Richterin des Bundesgerichtshofs nicht, jener Instanz, die die Notwendigkeit der Verhältnismäßigkeit von derartigen juristischen Entscheidungen festgeschrieben hat.
Rechtlich fragwürdig ist auch das Begehr, mich zu »allgemeinen Lebenssachverhalten« vernehmen zu wollen und zu bestreiten, dass mir ein Auskunftsverweigerungsrecht als Journalist zusteht, als der ich seit 1981 mit Presseausweis tätig bin (wie Verdi urkundlich bestätigt) – mit der Behauptung, meine »verfahrensrelevanten Wahrnehmungen« zur Beschuldigten (von denen ich nicht weiß, worin diese bestehen sollten) stünden in keinem Zusammenhang mit meiner journalistischen Tätigkeit. Erste Zeitschriftenveröffentlichungen von mir gab es bereits 1976. Eine Ausforschung der »allgemeinen Lebenssachverhalte« ist unzulässig.
Zur Begründung, warum ich zur Vernehmung zu erscheinen habe, heißt es schließlich im BGH-Schreiben: Da ich mehrmals »Mühen (200 km Bahnfahrt)« auf mich genommen hätte, um Daniela Klette zu besuchen, könne ich auch zur Vernehmung erscheinen. Bundesanwalt Croissant hatte gar von »Strapazen« der Besuche fabuliert. Einen Unterschied zwischen dem Besuch einer Freundin und der Vernehmung durch das BKA, das selbst einen Schweizer Bürger, der auf eine Lungenmaschine angewiesen ist, zur Vernehmung in Sachen Klette zwang, vermögen die Juristen in Karlsruhe nicht zu erkennen.
Dem Schreiben des BGH folgte sofort eine erneute Vorladung zur Vernehmung durch das BKA in Meckenheim, in der wie in den vorherigen Vorladungen der Zweck der Vernehmung nur unzureichend benannt ist und wiederum darauf verwiesen wird, dass ein amtsärztlicher Befund vorgelegt werden müsse, sollten gesundheitliche Gründe für ein Fernbleiben vorgebracht werden. Das BKA musste abermals darauf hingewiesen werden, dass ich keinen Amtsarzttermin vereinbaren kann. Offenbar fürchten die Ermittler*innen, der Amtsarzt könnte das Attest meines Hausarztes bekräftigen.
In einem Interview mit »Legal Tribune Online« äußerte Daniela Klettes Berliner Anwalt Lukas Theune seine Zweifel, dass es wegen der ihr vorgeworfenen RAF-Taten jemals eine Anklageschrift geben werde: »Nach meinem Eindruck ist die Beweislage da ebenfalls äußerst dünn.« Das »ebenfalls« bezieht sich darauf, dass in dem derzeitigen in einem Reitstall in Verden geführten Verfahren wegen mehrerer Fälle von Geldbeschaffung die Präsenz seiner Mandantin an keinem der Tatorte nachgewiesen ist. Offenbar soll durch das rechtswidrige Ausforschen von Besucher*innen Daniela Klettes die Beweislage angedickt werden.
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