Wendepunkt für die Kohle

Die Zahl neuer oder geplanter Kraftwerke ist weltweit stark gesunken

Gerade einmal drei Kohlekraftwerke sind in der Bundesrepublik derzeit noch in Planung, und von diesen ist nur eines in Bau: Block 4 des Steinkohlekraftwerks Datteln unweit von Dortmund. Betreiber Uniper (ehemals RWE) möchte die Anlage 2020 in Betrieb nehmen, doch dies steht in den Sternen. So hat die Kohlekommission empfohlen, »für noch nicht im Betrieb befindliche Kraftwerke eine Verhandlungslösung zu suchen«, damit diese nicht mehr ans Netz gehen und den Kohleausstieg nicht gefährden. Letztlich dürfte es also nur noch um die Höhe der Entschädigung für Uniper gehen.

Beinharte Klimaschutzgegner führen gerne an, dass ein deutscher Kohleausstieg nutzlos sei, da vielerorts auf der Welt die Kohleverstromung massiv ausgeweitet werde. Doch dies ist - ähnlich wie beim behaupteten Revival der Atomkraft - offensichtlich ein Märchen. Tatsächlich sinkt laut einer neuen Studie dr Umweltorganisationen Greenpeace, Global Energy Monitor und Sierra Club die Zahl neuer Kohlekraftwerke stark. 2018 ging ein Fünftel weniger Kraftwerksleistung als im Jahr davor ans Netz, verglichen mit 2015 war es sogar halb so viel. Beim Baubeginn waren die Rückgänge noch deutlicher: 39 Prozent gegenüber dem Vorjahr und 84 Prozent gegenüber 2015. Der »Global Coal Plant Tracker 2019« zeigt, dass auch die Planungsverfahren rückläufig sind. »Klimaschädliche Kohle ist in Deutschland und weltweit auf dem Rückzug«, sagte Greenpeace-Energieexperte Niklas Schinerl am Donnerstag bei der Vorstellung der Studie.

Der gerne behauptete Kohleboom in den vergangenen Jahren beschränkte sich trotz wachsenden Energiehungers im globalen Süden auf gerade einmal zwei Länder: China und Indien, auf die 85 Prozent der neuen Kohlekraftwerkskapazitäten seit 2005 entfielen. Doch gerade in den beiden großen asiatischen Schwellenländern ist die Anzahl der Genehmigungen neuer Projekte massiv zurückgegangen. Dennoch dominieren sie die neue Kraftwerksleistung: In China gingen im vergangenen Jahr 34,5 Gigawatt (GW) ans Netz. In Indien waren es 8 GW und damit etwa soviel wie im Rest der Welt (hier vor allem in anderen Ländern Südostasiens). Gleichzeitig wurden weltweit aber auch 31 GW stillgelegt. Paradoxerweise entfiel mehr als die Hälfte davon auf die USA, wo Präsident Donald Trump die Umwelt- und Gesundheitsauflagen schleift, um die Kohleindustrie in den konservativen Wahlhochburgen zu stärken.

Kohlekraftwerke gehören zu den Hauptverursachern des Klimawandels. Im Jahr 2018 waren sie für mehr als ein Viertel der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich. Um das Ziel des Pariser Klimaabkommens zu erreichen, die Erderwärmung möglichst auf 1,5 Grad Celsius zu beschränken, müsste die Kraftwerksleistung in den kommenden Jahrzehnten stark sinken. Doch sie ist zuletzt weiter leicht angestiegen. Eine Meldung aus dem März bereitet den Autoren besonders Sorgen: So hat der China Electricity Council, ein Zusammenschluss der dortigen Stromkonzerne, die Obergrenze bei der Energieerzeugung aus Kohle bis zum Jahr 2020 auf 1300 Gigawatt angehoben, während die Staatsführung 1100 GW vorgegeben hat.

Dennoch deuten die Daten der Studie darauf hin, dass das Jahr 2015 den Wendepunkt für die Energieerzeugung aus Kohle dargestellt hat. Mit zuletzt 37 Prozent ist der Anteil an der weltweiten Stromproduktion in den vergangenen Jahren spürbar gesunken - die tatsächlich boomenden erneuerbaren Energien liegen nur noch knapp dahinter. Dies dürfte auf die vermehrten Klimaschutzanstrengungen im Zuge des Paris-Abkommens zurückgehen. Mittlerweile haben 31 Länder, darunter Industriestaaten wie Kanada, Großbritannien, Frankreich oder Italien, einen Kohleausstieg beschlossen. Außerdem gibt es vielerorts Proteste. Und auch das wirtschaftliche Umfeld hat sich verschlechtert. Immer mehr Finanzfirmen schränken ihre Investments in Kohleprojekte massiv ein, denn diese rechnen sich offenbar kaum noch.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal