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Bluten ist normal

Die schwedische Organisation »MENSEN« fordert im Interview: Betriebe sollten menstruationsfreundlich sein

  • Birthe Berghöfer
  • Lesedauer: 3 Min.

Frau Simon, Sie propagieren, Wissen über Menstruation sei Macht. Wie meinen Sie das?

Es gibt beim Thema Menstruation große Wissenslücken, die hängen eng zusammen mit Tabus und Stigmatisierung. Die Regelblutung wird teils immer noch als eklig angesehen. Wir meinen, Wissen über Menstruation ist die Grundvoraussetzung sowohl für größere individuelle als auch gesellschaftliche wie politische Sensibilität und letztendlich für die Enttabuisierung des Themas. Wir arbeiten auf ganz unterschiedliche Weise daran, Wissen über die Periode und allem, was dazugehört, zu verbreiten.

Zur Person
Der 28. Mai ist Internationaler Tag der Menstruation. Was das soll? Die Regelblutung ist noch immer mit Tabus belegt. Die schwedische Organisation »MENSEN – forum för menstruation« will das ändern und dem Thema größere öffentliche Aufmerksamkeit verschaffen. Die Vorsitzende von MENSEN, Antonia Simon, erklärt in Interview, wie sie dafür vorgehen.

Wie denn?

Angefangen haben wir mit Studienkreisen, angeboten zusammen mit verschiedenen Bildungseinrichtungen. Dafür gibt es ein Handbuch, in dem wir sowohl einen geeigneten Aufbau der Seminare vorschlagen, als auch inhaltliches Material bereitstellen. In unserem Projekt »Mensmegafonen« arbeiten wir außerdem mit Schüler*innen der Mittelstufe. Wir versuchen aber auch die öffentliche Meinung zu beeinflussen, wie mit der Kampagne mensautanmoms - das heißt auf Deutsch so viel wie »menstruieren ohne Mehrwertsteuer«. Das soll auf die Ungerechtigkeit durch die hohe Besteuerung von Hygieneprodukten aufmerksam machen ...

… die es auch in Deutschland gibt, wo mit 19 Prozent etwa auf Tampons eine Luxussteuer gilt.

Ja. Und in Schweden liegt die Steuer auf Tampons und Binden sogar bei 25 Prozent!

Vergangenes Jahr begann Ihr Projekt »Menscertifiering«, das die staatliche Behörde für Gleichberechtigung mitfinanzierte. Worum geht es dabei?

Wir hatten schon lange die Idee, das Thema Menstruation in die Arbeitswelt zu bringen. Dann haben wir einen Bericht eines Hygieneprodukteherstellers gelesen, in dem es heißt, dass sich jede vierte Frau in Schweden in sozialen Kontexten unwohl fühlt, wenn sie ihre Tage hat. Und der Arbeitsplatz ist ein sozialer Zusammenhang, in dem wir einen großen Teil unserer Zeit verbringen. Bei dem Projekt geht es also darum, Perspektiven und verschiedene Bedürfnisse von menstruierenden Menschen am Arbeitsplatz zu berücksichtigen. Übrigens identifizieren sich nicht alle, die bluten, als Frau, und nicht alle Frauen bluten!

Was sind denn konkrete Bedürfnisse und wie sähe deren angemessene Berücksichtigung aus?

Wir haben eine Umfrage durchgeführt, aus der hervorgeht, dass viele nicht einmal die Möglichkeit haben eine Toilette zu benutzen. Ich denke hier an Bus- und Taxifahrer*innen oder auch an Bauarbeiter*innen. Selbst wenn der Zugang zu Toiletten gegeben ist, kann eine hohe Arbeitsbelastung die Nutzung erschweren. Manche der Befragten berichten auch von Misstrauen ihnen gegenüber, sobald sie von Menstruationsbeschwerden erzählen, so dass sie trotz Schmerzen weiterarbeiten. Eine angemessene Berücksichtigung fängt damit an, Ruhepausen zu ermöglichen, flexible Arbeitszeiten anzubieten sowie die Möglichkeit, auch mal von zu Hause arbeiten zu können. Das Unternehmen, mit dem wir derzeit kooperieren, bezieht bei der Planung von Aufgaben auch den Zyklus seiner Mitarbeitenden mit ein.

In Italien hat man 2017 über einen Gesetzesentwurf für den sogenannten Menstruationsurlaub diskutiert. Fordern Sie eine solche gesetzliche Regelung?

Nein. Aber wir fordern Menstruation expliziter in beschäftigungspolitische Diskussionen, Handlungen und Vereinbarungen einzubeziehen. Menstruationsbeschwerden dürfen nicht zu Lohnausfällen führen, weil Betroffene sich beispielsweise regelmäßig krankschreiben müssen. Menstruation ist, auch wenn sie für manche mit Schmerzen verbunden ist, keine Krankheit, sondern eine natürliche Körperfunktion.

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