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Ronaldo ist Gesetz
Warum fußballspielende Großverdiener in Italien in den Genuss horrender Steuererleichterung kommen
Der Aufstieg des spanischen Fußballs ging mit der sogenannten »Lex Beckham« einher. Als David Beckham, damals bestvermarktetster Fußballer der Welt, 2003 zu Real Madrid wechselte, kam er in den Genuss eines frisch verabschiedeten Steuersparmodells für Großverdiener. Der Höchststeuersatz auf Einkünfte in Spanien wurde von 43 auf 24 Prozent herabgesetzt. Und für alle im Ausland erzielten Einkünfte - Werbeverträge und Bildrechte, Unternehmen und Immobilien - wurde ein Steuersatz von null Prozent verabschiedet. Seither kamen viele tolle Kicker auf die Iberische Halbinsel, und spanische Klubs holten seitdem achtmal die Champions und neunmal die Europa League.
All das veranlasste Italien jetzt zur Nachahmung. Ende 2017 wurde die Legge Stabilitá (Gesetz Stabilität) verabschiedet. »Das Gesetz sieht eine flat tax von 100 000 Euro auf alle Einkünfte im Ausland vor für Personen, die neun der letzten zehn Jahre nicht in Italien gelebt haben, jetzt aber ihren Wohnsitz in Italien nehmen wollen. Das Gesetz dient vor allem dazu, Investoren und Investitionen anzuziehen«, erläutert Cristiano Novazio, Sportjurist und Dozent an der Mailänder Universität Bicocca, dem »nd«.
Cristiano Ronaldo, im vergangenen Jahr zu Juventus Turin gewechselt, war einer der ersten Profiteure. »Lex Ronaldo« - Gesetz Ronaldo - nennt man in Italien diese Regelung seitdem. Der Portugiese hatte in den Jahren zuvor Schwierigkeiten mit dem spanischen Fiskus. Der hatte nach und nach die Vorteile der »Lex Beckham« aufgehoben und gegenüber Ronaldo 19 Millionen Euro Strafverzahlungen für unversteuerte Einnahmen aus dem Ausland durchgesetzt. Im Dress der Juventus kommt Ronaldo mit jährlich 100 000 Euro davon. Bei seinen Werbeeinnahmen - allein der Vertrag mit Nike soll 24 Millionen Euro schwer sein - ein echtes Schnäppchen.
Weil Ronaldo aber noch nicht viele Stars folgten - und seit 2010 weiterhin kein italienisches Team die Champions League gewann - zog der Gesetzgeber in Rom Ende Juni mit einem zweiten Gesetz nach. Offiziell heißt es Legge Crescitá - Gesetz Wachstum. »Journalisten haben das Gesetz aber ›Lex Conte‹ genannt, nicht nach dem Premierminister Giuseppe Conte, sondern nach dem Fußballtrainer Antonio Conte«, sagt lachend Carlo Rombolà, Rechtsanwalt und Steuerexperte aus Rom, dem »nd«.
Italienrückkehrer Antonio Conte - drei Jahre war er beim FC Chelsea in London unter Vertrag, zwei Spielzeiten arbeitete er auch als Cheftrainer dort - ist einer der ersten Profiteure des neuen Gesetzes. Es sieht vor, dass rückkehrende Italiener oder neu ins Land kommende Ausländer nur noch die Hälfte ihres Einkommens in Italien versteuern müssen. Hätte Conte nach der alten Gesetzgebung für sein kolportiertes Gehalt von zwölf Millionen Euro nach dem Steuersatz von 43 Prozent 5,16 Millionen Euro an Steuern abführen müssen, so sind es jetzt nur noch 2,58 Millionen. Denn es werden ja nur sechs Millionen Euro Einkommen als Basis herangezogen.
»Das Gesetz gilt für alle Personen, die mindestens zwei Jahre im Ausland gelebt haben, jetzt nach Italien umsiedeln wollen und dort auch mindestens für zwei Jahre bleiben. Die Steuererleichterungen gelten für maximal fünf Jahre«, erläutert Jurist Novazio den Sachverhalt. »Gedacht war es ursprünglich, um exzellent ausgebildete Ärzte, Forscher und Dozenten für das Land zu gewinnen und auch Italiener, die ins Ausland gegangen sind, für eine Fortsetzung der Karriere in der Heimat zu bewegen«, erklärt Novazio die Motive. Für Fachkräfte gelten sogar noch weitreichendere Erleichterungen. Sie müssen nur 30 Prozent ihrer Einnahmen versteuern, wer in den Süden geht - also Kampanien, Kalabrien, Apulien und Sizilien - gar nur zehn Prozent. Ursprünglich galt das auch für Kicker. Als aber bekannt wurde, dass Südklubs wie der SSC Neapel und Serie-A-Aufsteiger Lecce eine Transferoffensive planten, wurde für den Sport die Südklausel gekippt und die Steuererleichterung von 70 Prozent auf landesweit 50 Prozent zurückgefahren.
Die Euphorie ist dennoch groß. Als »Sauerstoffzufuhr für den Fußball« bezeichnete der Branchendienst tuttomercatoweb die »Lex Conte«. Als - späte - Antwort auf die »Lex Beckham« sieht denn auch der Jurist und Spielervermittler Valerio Giuffrida die neuen Gesetze. »Die ›Lex Beckham‹ stand am Anfang der Blüte des spanischen Fußballs. Jetzt hoffen wir auf die Ankunft großer Spieler und Trainer in Italien«, sagte er tuttomercatoweb.
Die Sachlage ist allerdings komplex. Die Steuervorteile gelten nur, wenn die zwei Jahre Aufenthalt in Italien eingehalten werden. Ansonsten müssen die eingesparten Gelder zurückgezahlt werden. Das kann einerseits zu längeren Verweildauern führen. Oder zu Extraklauseln. »Vereine und Vermittler brüten schon über Klauseln, die regeln, wer bei einer vorzeitigen Vertragsauflösung für die Steuerzahlungen zuständig ist«, berichtet Giuffrida.
Nach jetzigem Rechtsverständnis sind es die Klubs, die während der laufenden Verträge die Steuern zahlen müssen. »Fußballer und auch Trainer gelten in Italien steuerrechtlich als Arbeitnehmer. Ihr Arbeitgeber, also der Klub, führt direkt die Steuern ab. Ist ein Vertrag aber aufgelöst, obliegt es dem einzelnen selbst, für die Steuern aufzukommen«, erläutert Novazio.
Der Mailänder Experte sieht durch die neue Gesetzgebung sogar Anreize für ganz neue Praktiken. »Die italienischen Klubs könnten versucht sein, junge Spieler für zwei Jahre ins Ausland zu verleihen, sie danach nach Italien zurückzuholen und so von den Steuervorteilen zu profitieren.«
In Sachen Steuererleichterungen für Großverdiener steht Italien allerdings nicht allein auf weiter Flur. Das Beispiel Spanien ist schon erwähnt. Ausländische Kicker in der Premier League können ausnutzen, dass im Ausland erzielte Einkünfte - etwa aus Werbeverträgen und Bildrechten - erst dann versteuert werden müssen, wenn sie real ins Vereinigte Königreich fließen. Sie können mit dem Rückfluss zum Beispiel warten, bis ihre aktive Karriere vorbei ist und das zu versteuernde Jahreseinkommen geringer ausfällt.
Europas Finanzminister befinden sich in einem Wettbewerb, um über das Ventil der Besteuerung Fachkräfte und Investoren anzulocken. Europäische Aufsichtsbehörden sehen dem Treiben tatenlos zu. Bei den Besteuerungen von Einkünften im eigenen Lande ist alles noch nachvollziehbar. Dass das Rennen um die geringste Besteuerung aber auch auf Einkünfte aus dem Ausland übergreift, ist ein starkes Stück. »Die EU hat schon nichts gemacht, als es um die Lex Beckham ging. Sie wird auch jetzt bei den italienischen Gesetzen nicht eingreifen«, mutmaßt Rechtsexperte Rombolà.
Um Chancengleichheit auch auf finanzieller Ebene für alle Klubs herzustellen, müsste die UEFA sich eine EU-weite Harmonisierung des Steuerrechts für Fußballer auf die Fahnen schreiben. Dass Fußballer aus allgemein gültigen Steuervorteilsgesetzen ausgenommen werden können, hat Ende Juni ja bereits die »Lex Conte« in Italien bewiesen.
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