Warum Klimawandel-Leugner falsch liegen

Studie: Frühere Temperaturwandel auf der Erde waren nur regional begrenzt

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Bern. Wissenschaftler in Bern haben eines der gängigsten Argumente gegen den menschengemachten Klimawandel stark geschwächt. Klimaschwankungen gab es auch schon früher, heißt es oft etwa mit Verweis auf die Kleine Eiszeit oder die Mittelalterliche Warmzeit. Insofern sei die jüngste Klimaerwärmung eine natürliche Erscheinung und nichts Alarmierendes. Ein Team um Raphael Neukom von der Universität Bern verweist im Journal »Nature« nun auf einen erheblichen Unterschied: Außerhalb des jüngsten rapiden Temperaturanstiegs geschahen solche Warm- oder Kaltzeiten in den vergangenen zwei Jahrtausenden nie auf der ganzen Welt gleichzeitig.

Die Wissenschaftler nutzten unter anderem die große Datensammlung des Pages-2k-Netzwerkes, die zwei Jahrtausende umfasst. Die Temperaturen wurden etwa aus den Jahresringen von Bäumen herausgelesen, weil sich deren Dicke und Holzdichte mit der Temperatur verändern, oder aus den langsam wachsenden Korallenstöcken, an denen sich Veränderungen der Wassertemperatur ablesen lassen. Die Forscher haben abgesehen von der jüngsten Klimaerwärmung seit 150 Jahren keine Beweise für kalte oder warme Phasen gefunden, die um den ganzen Globus herum gleichzeitig stattfanden.

Als ein Beispiel nennen die Autoren die Kleine Eiszeit vom 15. bis 19. Jahrhundert. Im 15. Jahrhundert hätten die tiefsten Temperaturen im Zentral- und Ostpazifik geherrscht, im 17. Jahrhundert in Nordwesteuropa und dem südöstlichen Nordamerika und im 19. Jahrhundert in anderen Weltregionen. »Im Gegensatz dazu sehen wir, dass die wärmste Periode der vergangenen zwei Jahrtausende im 20. Jahrhundert auf 98 Prozent der Erde stattfand«, schreiben sie. »Das ist ein starker Hinweis, dass die von Menschen verursachte globale Erwärmung beispiellos ist - nicht nur, was die absoluten Temperaturen angeht, sondern auch, was die räumliche Konsistenz im Kontext der vergangenen 2000 Jahre angeht.«

Auf die Grenzen der Temperaturdaten der vergangenen 2000 Jahre verweist der Geografieprofessor Scott George von der Universität Minnesota in einem zugehörigen Kommentar im Journal »Nature«. Es sei manchmal schwierig, alte Kalt- und Warmphasen miteinander zu vergleichen, weil Jahresringe in Bäumen beispielsweise einen sehr langsamen Klimawandel, der sich über mehrere Jahrhunderte ausdehne, nicht zuverlässig darstellen könnten.

Dennoch resümiert er: »Die gängige Maxime, dass das Klima sich immer ändert, stimmt mit Sicherheit. Aber selbst, wenn wir in unserer Perspektive bis in die frühen Tage der Römischen Kaiserzeit zurückgehen, können wir kein Ereignis erkennen, dass in Grad oder Ausmaß der Erwärmung der vergangenen Jahrzehnte auch nur annähernd entspricht«, schreibt er. »Das heutige Klima hebt sich in seiner heißen weltweiten Synchronie ab.«

Frühere Klimaschwankungen auf Vulkane zurückzuführen

Eine zweite Studie, die im Fachmagazin »NatureGeoscience« veröffentlicht wurde, kommt zu dem Schluss, dass sich Temperaturschwankungen in der vorindustriellen Zeit zu einem bedeutenden Teil auf vulkanische Aktivitäten zurückführen lassen. Einen so schnellen Temperaturanstieg wie in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts habe es aber nie gegeben.

Der Klimaexperte Mark Maslin vom University College London erklärte mit Blick auf die Studien, Klimawandelleugner könnten nicht mehr argumentieren, die derzeit beobachtete Erderwärmung sei Teil eines »natürlichen Klimazyklus«. Während es in der Vergangenheit regionale und örtliche Klimaveränderungen gegeben habe, habe der Ausstoß von Treibhausgasen durch menschliche Aktivitäten einen weltweiten Effekt.

Die Studien kommen zu einem Zeitpunkt, zu dem Europa unter einer zweiten Hitzewelle binnen kurzer Zeit leidet. In Deutschland wurde am Mittwoch mit 40,5 Grad in der nordrhein-westfälischen Stadt Geilenkirchen ein neuer Temperaturrekord aufgestellt. Agenturen/nd

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