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Grundstücksdeal für Elite-Uni

Bayerischer Landtag hatte überhöhten Preis für ein Areal in Nürnberg abgesegnet

  • Rudolf Stumberger
  • Lesedauer: 3 Min.

Es war wohl ein Sturm im Wasserglas. Die bayerische Staatsregierung habe ein Grundstück in Nürnberg zu teuer angekauft und damit womöglich Haushalt veruntreut, berichtete das ARD-Mittagsmagazin. Die Staatskanzlei in München kontert und sieht alles nach geltendem Recht, der Landtag habe das Geschäft schließlich abgesegnet. Doch der mediale Wirbel wirft ein Licht auf ein beispielloses Projekt: Auf dem Grundstück soll nämlich bis 2025 eine neue Super-Uni nach neoliberalen Grundsätzen entstehen.

Das 38 Hektar große Grundstück des ehemaligen Nürnberger Südbahnhofes hatte der Freistaat für den Preis von 90,8 Millionen Euro aufgekauft, der Verkehrswert habe aber nur 46,3 Millionen Euro betragen, so die vom rbb produzierte ARD-Sendung, die sich auf eine nicht öffentliche Vorlage des Haushaltsausschusses des Landtages von 2018 bezog. In dem Beitrag kritisierten drei namhafte Juristen den Kaufpreis und die Finanzierung des Grundstücksgeschäfts. Ein derartiges Vorgehen sei aber angesichts der angespannten Lage auf dem bayerischen Grundstücks- und Immobilienmarkt nicht unüblich, erwiderte das bayerische Bauministerium.

Im Landtag hatten alle Fraktionen und damit auch die Opposition diesem Kauf zugestimmt. Sowohl Nürnbergs Oberbürgermeister Ulrich Maly (SPD) als auch der Wirtschaftsreferent der Stadt, Michael Fraas, halten den Preis für das vom Freistaat gekaufte Grundstück für marktgerecht.

Was aber soll auf dem ehemaligen Bahngelände entstehen? Eine technische Eliteuniversität für ausgesuchte Studierende, die nach neoliberalen Regeln des Wettbewerbes konzipiert ist und die dem Digitalisierungswahnsinn frönt. Und das für 1,2 Milliarden Euro.

Eigentlich ist der Studienstandort Nürnberg bereits ganz gut aufgestellt. So verfügt die Universität Erlangen-Nürnberg über eine bedeutende Technische Fakultät und interdisziplinär arbeitende »Exzellenzcluster« im mathematisch-naturwissenschaftlichen Bereich. Hinzu kommt die renommierte Technische Hochschule Georg Simon Ohm mit rund 13 000 Studierenden, sie gehört zu den zwanzig größten Fachhochschulen Deutschlands. Doch die bayerische Staatsregierung will in der Heimatstadt von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) eine neue Technische Universität. Sie soll sich an US-amerikanischen Hochschulen orientieren und höchstens 5000 bis 6000 Studierende aufnehmen. Der Betreuungsschlüssel soll bei 25 Studierenden pro Professor liegen, an anderen Unis liegt er bei 1:60 bis 1:90.

Das widerspräche freilich der Gleichbehandlung aller Universitäten, denn die künftige TU Nürnberg wäre dann deutlich besser gestellt. Statt Fakultäten soll es »Departements« geben, ganz wettbewerbs- und international orientiert mit englischen Bezeichnungen: »Mechatronic Engineering«, »Quantum Engineering«, »Biological Engineering«, »Computer Science and Engineering«, »Humanities and Social Sciences« und »Natural Sciences and Mathematics«.

Und obwohl es keine Studien gibt, welchen Vorteil ein digitaler Unterricht für die Studierenden bringt, soll die neue Universität voll auf diesem Technikfetischismus aufbauen. Federführend dabei soll der Marburger Anglistik-Professor Jürgen Handke sein, der sich für digitale Lehre stark macht. An seiner Uni in Hessen hat dieser auch kleine, nach dem Kindchenschema funktionierende Roboter programmiert, welche die Erstsemester begrüßen.

Formuliert hat das Konzept eine Gründungskommission, deren Vorsitzender Wolfgang Herrmann ist, noch bis Oktober Präsident der Technischen Universität München. Außerdem sitzt er im Kuratorium der Bertelsmann-Stiftung und hat in den 24 Jahren seiner Amtszeit als TU-Präsident die Hochschule wirtschaftsaffin umgestaltet. Am liebsten wäre es ihm gewesen, Vorlesungen in deutscher Sprache völlig abzuschaffen. Der 71-Jährige ist zudem bestens in das Machtgefüge der CSU integriert. 2001 sollte er als Staatsminister für Ernährung in das bayerische Kabinett eintreten, was aber eine Steuerbetrugsaffäre verhinderte.

Der »ewige Patriarch«, so die Zuschreibung des Wissenschaftsjournalisten Jan-Martin Wiarda, hat aber auch Niederlagen einstecken müssen. So fand an »seiner« Hochschule 2015 ein »Weltkongress für Ganzheitsmedizin« statt, mit Vorträgen wie der zum »schamanischen Röntgenblick«. Der habilitierte Chemiker soll getobt haben.

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