Chinas gezielte Passivität

Im von den USA forcierten Handelskrieg überlässt Peking den Renminbi vorerst dem freien Markt

  • Martin Ling
  • Lesedauer: 4 Min.

Der Plan dürfte auf die lange Bank geschoben werden: Ab 2020 sollte die auch Yuan genannte chinesische Währung Renminbi voll konvertierbar sein, sprich immer und überall zum Marktwert gegen andere Währungen eintauschbar sein. Der Status einer Hartwährung, einer unbeschränkt eintauschbaren Devise, wäre damit erreicht. Damit würde Peking erstmals unbegrenzt freie Kapitalströme zulassen und die direkte Kontrolle über die Währung aufgeben.

Im August 2019 hat Chinas Zentralbank nun alle Hände voll zu tun, einen Währungskrieg mit den USA zu verhindern, der die für 2020 gefassten Pläne in den Hintergrund rücken lässt.

Die Vorwürfe des US-amerikanischen Präsidenten Donald Trump sind starker Tobak: China senke den Kurs seiner Währung auf ein nahezu historisches Tief: »Das nennt man Währungsmanipulation.« Dabei hat die chinesische Zentralbank dieses Mal nur den freien Kräften des Marktes ihren Lauf gelassen, statt wie bisher oft in die Entwicklung des Wechselkurses stabilisierend einzugreifen, was sie seit den 90er Jahren regelmäßig tut. Damals begann China, seine Währung am US-Dollar auszurichten, schlicht weil der US-Dollar die Weltwährung Nummer eins ist und damit der Wechselkurs zum US-Dollar für die Wettbewerbschancen auf dem Weltmarkt zentral ist. Zudem sind die USA seit den 90er Jahren zum mit Abstand wichtigsten Absatzmarkt für China aufgestiegen - vor Hongkong. Rund ein Fünftel aller chinesischen Exporte geht inzwischen in die USA und die Handelsbilanz ist stark überschüssig. Im Jahr 2018 exportierte China Waren im Wert von rund 539,5 Milliarden US-Dollar in die USA und importierte von dort nur Waren im Wert von rund 120,3 Milliarden US-Dollar. Dieses Missverhältnis legt aus Sicht der USA in der Tat eine generelle Unterbewertung des Renminbi nahe, denn in der neoklassischen Theorie sorgt der Wechselkurs für ausgeglichene Handelsbilanzen.

Fakt ist, dass China seit den 90er Jahren gegenüber dem Dollar sukzessive auf- und nicht abgewertet hat. Bis Juli 2005 lag der Wechselkurs bei 8,28 Renminbi pro Dollar. Seitdem mussten immer weniger Renminbi für einen Dollar aufgebracht werden, der fallende Kurs entspricht einer Aufwertung. So wurde die Sieben-Renminbi-Marke im Jahr 2008 kurz vor dem Beginn der Finanzkrise erreicht und seitdem mehr oder weniger konstant bei 6,7 Renminbi pro Dollar gehalten. Bis jetzt: Am Montag ließ die chinesische Notenbank den Wert des Renminbi auf den tiefsten Stand seit elf Jahren fallen. Ein Dollar kostete erstmals seit 2008 wieder mehr als sieben Renminbi.

Die Pekinger Zentralbank macht aus ihrem Vorgehen keinen Hehl: »Handelsprotektionismus«. Sprich eine Schutzreaktion auf das Vorgehen des US-Präsidenten Trump, der erst vergangene Woche Strafabgaben in Höhe von zehn Prozent auf chinesische Waren im Wert von weiteren 300 Milliarden Dollar angekündigt hatte. Von September an wären dann fast sämtliche chinesischen Ausfuhren in die USA mit Zöllen belegt und damit teurer. Durch die Abwertung würde das teilweise kompensiert.

Die chinesische Zentralbank hat in einer Erklärung den Vorwurf der USA zurückgewiesen, dass sie ihre Währung mit dem Ziel eigener Vorteile im Welthandel manipuliere. Die jüngste Abwertung sei vielmehr durch den Markt bewirkt worden. Bei allem Lärm um diese Abwertung: Der Dollar hat lediglich um rund zwei Prozent an Wert zugelegt und damit in der Marge, die die chinesische Zentralbank zulässt: Jeden Morgen setzt die Bank den Wechselkurs fest und erlaubt im Tagesverlauf Schwankungen des Renminbi zum Dollar von zwei Prozent. Mehr ist auch dieses Mal nicht passiert, nur dass der Kontext anders ist. Zum einen wurde die psychologische Schwelle von sieben Renminbi pro Dollar nach langer Zeit wieder übertroffen und zum anderen ist ein von den USA forcierter Handelskrieg zwischen Washington und Peking im Gange, der in einen Abwertungswettlauf münden könnte, sollten die Streithähne den Wechselkurs offensiv in die Auseinandersetzung einbeziehen.

Wegen zwei Prozent Auf- oder Abwertung von einem Währungskrieg zu sprechen, ist übertrieben. Aber klar ist: China hat mit seiner gezielten Passivität gezeigt, dass es in der Auseinandersetzung mit den USA nicht klein beigibt. Für die Weltwirtschaft bedeutet dieser Konflikt wachsende Unsicherheit. Chinas Zentralbankchef Yi Gang beschwichtigt: Er sei ganz »zuversichtlich, dass der Renminbi eine starke Währung bleibt trotz jüngster Fluktuationen und äußerer Unsicherheiten«.

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