Rechtsbruch in eigener Regie

Grüne pochen auf separate EU-Mission am Golf - doch auch dann wäre Trumps Plan erfüllt

  • Uwe Kalbe
  • Lesedauer: 4 Min.

Im Notfall ist auch »militärischer Einsatz notwendig (...), um unsere Interessen zu wahren, zum Beispiel freie Handelswege«. Es ist noch keine zehn Jahre her - da löste diese Äußerung von Bundespräsident Horst Köhler eine Welle der Empörung und seinen anschließenden Rücktritt aus. Dass Bundeswehreinsätze - im konkreten Fall ging es um Afghanistan - mit wirtschaftlichen Interessen Deutschlands begründet wurden, das galt damals noch als Tabubruch. In zehn Jahren kann viel geschehen.

Derzeit finden intensive Gespräche zwischen Großbritannien, Frankreich und Deutschland über eine Militärmission im Persischen Golf statt - zum Schutz der freien Schifffahrtswege, wie es heißt. Der USA-Präsident nötigt Deutschland und die anderen Länder zu einer Reaktion auf die Krise um Iran und den Schiffsverkehr in der Straße von Hormus - mit Erfolg. Die deutsche Absage ist längst nicht so entschieden, wie es Außenminister Heiko Maas von der SPD glauben machen will, der vor den militärischen Folgen warnt, die ein solcher Einsatz haben könnte. Eine übereilte Zusage hält Maas für verantwortungslos. Man müsse das rational abwägen. Doch zu welchem Ergebnis diese Abwägung führen wird, ist bislang offen. Der Ausweg scheint den beteiligten Ländern - mit Ausnahme Großbritanniens, das unter der Regierung von Boris Johnson ins Kielwasser der USA abbiegt - in einer EU-Mission zu liegen, die nicht unter formaler Führung Washingtons läuft. Eine Militärmission nach dem Willen der USA bliebe sie dennoch.

Vor drei Jahren ist das »Weißbuch zur Sicherheitspolitik und zur Zukunft der Bundeswehr« erschienen. Die darin aufgeführten Risikofaktoren für Entwicklung und Wohlstand in Deutschland schließen, wenn auch verklausuliert, die Verteidigung internationaler Seefahrtswege ganz natürlich ein. »Prosperität unseres Landes und Wohlstand unserer Bürgerinnen und Bürger hängen auch künftig wesentlich von der ungehinderten Nutzung globaler Informations-, Kommunikations-, Versorgungs-, Transport- und Handelslinien sowie von einer gesicherten Rohstoff- und Energiezufuhr ab ...« Die Rede ist vom sicherheitspolitischen Instrumentarium, »um Störungen oder Blockaden vorzubeugen oder diese zu beseitigen«.

Peter Beyer, CDU-Mitglied im Auswärtigen Ausschuss des Bundestages und Koordinator für transatlantische Zusammenarbeit der Bundesregierung, meinte in einem Interview des Deutschlandfunks, man dürfe sich nicht den Luxus gönnen, »zu viel immer nur zu diskutieren«. Man müsse das Weißbuch für Sicherheit auch einmal »durch operatives Handeln unterfüttern. Wir können uns da nicht immer wegducken. «

Dies ist die Zeit der Opposition, sollte man meinen. Doch weit gefehlt. Die LINKE allein lehnt einen Bundeswehreinsatz ohne Wenn und Aber ab. Hingegen zeigen die Grünen ihre Kompatibilität mit der CDU. Parteichef Robert Habeck erklärt, auf keinen Fall dürfe sich Deutschland einer von den USA geführten Mission anschließen, weil die USA es schließlich seien, die den Konflikt mit Iran anheizten. Damit scheint er Gut und Böse fein säuberlich zu unterscheiden. Doch eine Militärmission unter der Flagge der EU ist wie eine unter der Flagge der USA eine Mission gegen das Recht. Es gibt für beides kein Mandat. Der Grünen-Politiker Jürgen Trittin macht darauf aufmerksam, dass es weder eine Bitte Irans um Beistand noch einen Beschluss des UNO-Sicherheitsrates für einen solchen Einsatz gibt. Man könne nicht auf Einhaltung des Völkerrechts pochen und dann gleichzeitig versuchen, »ebendieses Völkerrecht mit einer Koalition der Willigen zu umgehen«.

»Wir brauchen eine rechtliche Grundlage«, räumt auch der CDU-Politiker Peter Beyer im Deutschlandfunk ein. Bei ihm klingt dies jedoch wie ein lösbares Problem. Die Grünen werden das am Ende wohl ähnlich sehen. Neben Habeck haben sich auch seine Vorsitzendenkollegin Annalena Baerbock und der Bundestagsabgeordnete Omid Nouripour für eine europäische Militärmission ausgesprochen.

Für Dietmar Bartsch ist eine EU-Mission statt einer USA-geführten Mission hingegen nichts als die »Bestätigung für die Amok-Politik von Donald Trump durch die Hintertür«. Der US-Präsident jedoch verstecke »unter dem Deckmantel des Atom-Abkommens« die Fortsetzung einer gescheiterten Regime-Change-Politik der USA. Der Fraktionschef der LINKEN im Bundestag warnt, dass bei einer solchen EU-Mission »aus europäischen Vertragspartnern mit dem Iran Konfliktpartner an der Seite der USA« würden. »Eine solche Mission wäre eine faktische Kriegserklärung einer neuen ›Koalition der Willigen‹ gegen den Iran«, so Bartsch.

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