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  • Deradikalisierungsarbeit

Muslimbrüder nicht im Boot

Innenverwaltung dementiert Zusammenarbeit bei Deradikalisierung

  • Philip Blees
  • Lesedauer: 3 Min.

Alles nur ein Missverständnis: Die Senatsinnenverwaltung korrigiert am Dienstagmittag wiederholt Medienberichte, denen zufolge sie bei der Präventions- und Deradikalisierungsarbeit von Islamisten mit den Muslimbrüdern zusammenarbeiten wolle. Dem sei nicht so: »Da gibt es keinen Diskussionsbedarf«, erklärt Innenstaatssekretär Torsten Akmann (SPD) in einer Sitzung des Verfassungsschutzausschusses im Abgeordnetenhaus.

Anlass ist ein aktueller Antrag der CDU, die damit eine Debatte wieder aufrollt, die bereits vor der parlamentarischen Sommerpause lief. Damals hatte Innensenator Andreas Geisel (SPD) seine Aussage zurückgezogen, man müsse auch mit sogenannten Legalisten reden - also Islamisten, die angeben, keine Gewalt mehr anwenden zu wollen. Er sei, so Geisel, falsch verstanden worden. »Ich kooperiere nicht - wie öffentlich behauptet - mit den Muslimbrüdern«, sagte er dazu.

Die Frage ist aber immer noch aktuell: Mit wem zusammen soll man gegen Islamisten vorgehen? Stephan Lenz von der CDU befand es zwar als »klar«, dass eigentlich niemand im Abgeordnetenhaus, sowohl Regierungsparteien als auch Opposition, mit Muslimbrüdern oder ähnlichen Organisationen zusammenarbeiten möchte. Das sei, so hieß es, wie im Kampf gegen Rechtsextremismus die NPD als Partner auszuwählen. Deshalb setze der Senat ausschließlich auf zivilgesellschaftliche Akteure.

Die Situation in der Hauptstadt, die oft dramatisiert wird, gibt laut Innenverwaltung »Raum für Hoffnung«. Für eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen Salafisten und Muslimbrüdern habe der Verfassungsschutz keine Hinweise. Einzelne kurzfristige personelle Überschneidungen würden dabei aber nicht einbezogen, könnten also durchaus bestehen. »Das kann man seriöserweise nicht ausschließen«, so Akmann. Eine Tendenz, dass Salafisten Moscheen der Muslimbrüder besuchen, gäbe es allerdings nicht. Die Szenen blieben weiter separiert. Inwiefern das relevant ist, bei einer gleichzeitigen minimalen Erhöhung der Anzahl der Islamisten auf 1995 Personen im Jahr 2018, bleibt offen. In der Praxis läuft das Landesprogramm zur Deradikalisierung bisher wohl gut: »Wir verfolgen die Wege, die machbar sind«, sagt Akmann. Dabei werde darauf geachtet, dass die Programme an der Lebenswirklichkeit ansetzen, also genau dort präsent sind, wo sie benötigt werden - in Moscheen und Kulturvereinen. Das solle keineswegs heißen, dass dort ausschließlich Islamisten verkehren.

Ein wenig Eigenlob kann sich Akmann hier nicht verkneifen: »Die Präventions- und Deradikalisierungsarbeit des Landes Berlin hat Vorbildcharakter«, so der Staatssekretär. Im Abgeordnetenhaus würde das nicht von allen Parteien anerkannt, aber bundes- und europaweit. So veranstalte die Innenverwaltung Ende November auch eine internationale Konferenz zu dem Thema.

Ganz unberechtigt ist die anfängliche Vermutung, der Senat wolle mit islamistischen Kräften zusammenarbeiten, allerdings nicht. In verschiedenen Bereichen wie der Jugendhilfe, der die Präventionsarbeit teilweise auch zugeordnet wird, kann die Kooperation mit bestimmten Vereinen kritisch gesehen werden. So ist der Verein Inssan, der sich gegen Islamfeindlichkeit und Diskriminierung einsetzen möchte, schon in der Vergangenheit für seine Verbindung zur »Islamischen Gemeinschaft in Deutschland« (IGD) kritisiert worden. Letztere wird vom Verfassungsschutz als Teil des Netzwerks der Muslimbrüder beobachten. Auf der Webseite des Vereins ist das Logo des Senats deutlich zu sehen.

Das Feld bleibt also komplex. Eine Einbindung von Deradikalisierten sei laut Experten aber notwendig, um sie zu festigen und Rückfälle zu vermeiden. Solche Rückfälle möchte im Abgeordnetenhaus wirklich niemand.

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