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Müller drückt den grünen Knopf
Menschenrechtsorganisationen fordern gesetzliche Regelungen für Textilbranche
Wer ab Dienstag auf Klamottenjagd geht, hat ein neues Auswahlkriterium zur Hand: Das staatliche Gütesiegel »Grüner Knopf« soll sozial- und umweltverträglich produzierte Kleidung garantieren. Die 26 ökologischen und sozialen Standards umfassen die Zahlung von Mindestlöhnen, ein Verbot von Kinder- und Zwangsarbeit sowie Vorgaben zu Chemikalieneinsatz und Luftverschmutzung. »Damit zeigen wir: Faire Lieferketten sind möglich. Ab heute kann das keiner mehr infrage stellen. Das beweisen alle Unternehmen, die mitmachen«, sagte Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) am Montag bei der Vorstellung des Textilsiegels in Berlin.
Rund 50 Unternehmen wollen laut Ministerium mitmachen, 27 von ihnen können bereits staatlich ausgezeichnete Produkte anbieten. Dazu gehören die Discounter Aldi und Lidl, die Firmen Hess Natur, Trigema und Vaude sowie Rewe und Tchibo. 27 weitere Unternehmen werden aktuell geprüft, darunter Hugo Boss und die Otto-Group. Nicht nur Kleidung, auch Matratzen, Rucksäcke und andere Textilien können gelabelt werden.
Geprüft werden die teilnehmenden Unternehmen später alle drei Jahre unter anderen vom TÜV-Nord oder der DEKRA. Zusätzliche Stichproben sind vorgesehen, unter die Lupe kommt das gesamte Unternehmen. So müssen neben den 26 sozialen und ökologischen Kriterien für das konkrete Produkt unter anderem Lieferketten transparent und in den Fabriken anonyme Beschwerdemöglichkeiten vorhanden sein.
Minister Müller will darüber hinaus das Textilsiegel bei der öffentlichen Beschaffung zum Maßstab machen, etwa bei der Ausstattung von Bundeswehr und Polizei sowie Krankenhäusern. Noch sei man davon allerdings weit entfernt, räumte er ein. Müller forderte zudem Verbände wie die Caritas und Sozialunternehmen auf, bei ihrer Ausstattung den »Grünen Knopf« zu unterstützen.
2014 hatte der CSU-Politiker schon einmal versucht, ein Textilsiegel einzuführen, scheiterte jedoch am Widerstand der Wirtschaft. Von einer »Schnapsidee« sprach damals der Gesamtverband textil+mode. Möglich war nur ein Textilbündnis, in dem Unternehmen, Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen freiwillige Maßnahmen vereinbarten.
Überzeugt ist der Handelsverband auch heute nicht. »Wir können das neue Siegel nicht empfehlen«, sagte dessen Präsidentin Ingeborg Neumann. Ein nationales Siegel in einem globalen Markt mache keinen Sinn.
Doch es gibt auch Unternehmen, die Müllers Weg befürworten. Bisher gebe es eine Vielzahl von Siegeln, sagte Antje von Dewitz vom Sporthersteller Vaude. Das sei für Verbraucher unübersichtlich und führe zu Misstrauen. Der »Grüne Knopf« sei deshalb »ein Meilenstein«. Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche, Heinrich Bedford-Strohm, lobte das Siegel immerhin als »sehr konkreten Schritt in die richtige Richtung«.
Andere kritisieren den »Grünen Knopf« dagegen als unzureichend und fordern eine gesetzliche Regelung. Es wäre »etwas schlicht anzunehmen, dass die Probleme in der Lieferkette von Textilien damit erledigt sein werden. Einige Grüne Köpfe an einigen Textilien werden nicht ausreichen, um strukturelle Veränderungen voranzutreiben«, sagte Berndt Hinzmann von der Entwicklungsorganisation Inkota.
Medico International und pakistanische Partnerorganisationen sprachen von »Fairwashing«. Ein freiwilliges Label sei »praktisch wirkungslos«.
Kritisiert wurde zudem, dass Mindestlöhne nicht unbedingt existenzsichernde Löhne bedeuteten. »Um Armutslöhne, Unterdrückung und gesundheitliche Risiken in der Textilproduktion zu beenden, benötigen wir dringend ein Lieferkettengesetz«, erklärte Eva-Maria Schreiber, Obfrau im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung für die Linksfraktion. Renate Künast von den Grünen bezeichnete das Siegel als »Augenwischerei«. Sie forderte eine europäische Gesetzesinitiative, »die die Textilunternehmen endlich in die Pflicht nimmt, Verantwortung für ihre gesamte Liefer- und Wertschöpfungskette zu übernehmen«.
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