Sachsens Linkspartei-Fraktionschef: »Die Zeit der LINKEN wird wieder kommen«

Rico Gebhardt meint, dass die Partei nicht als Kümmerer wahrgenommen wird / »Stattdessen streiten wir uns um Venezuela, Russland oder unser Verhältnis zur EU und zur NATO«

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Dresden. Die LINKE in Sachsen will sich nach dem Debakel zur Landtagswahl inhaltlich neu ausrichten. »Wir werden nicht mehr wahrgenommen als Partei, die sich um die alltäglichen Dinge der Menschen kümmert. Stattdessen streiten wir uns um Venezuela, Russland oder unser Verhältnis zur EU und zur NATO«, sagte Fraktionschef Rico Gebhardt der Deutschen Presse-Agentur in Dresden. Die Linken hätten zu häufig das Bild eines zerstrittenen Haufens abgegeben: »Wir müssen uns viel mehr um die Leute mit ihren Alltagsproblemen kümmern. Wenn uns das gelingt, habe ich keine Sorgen, dass wir den Abgrund herabstürzen, an dem wir gerade stehen.«

Die Linkspartei hatte zur Landtagswahl nur 10,4 Prozent der Stimmen erhalten - 8,5 Prozentpunkte weniger als 2014. Nach den Worten von Gebhardt hätten wohl alle in der Partei das noch nicht überwunden: »Eine Schockstarre gibt es aber nicht, wir hocken nicht wie das Kaninchen vor der Schlange. Klar müssen wir etwas tun, uns inhaltlich und methodisch neu aufstellen. Es geht um die Frage, wie wir künftig als kleinste Oppositionspartei mit unseren Themen durchdringen.« Deshalb hole man sich für die am Donnerstag beginnende Klausur Rat bei den LINKEN von Sachsen-Anhalt: »Die kennen diese Situation ja.«

Nach Gebhardts Einschätzung tragen die LINKEN in Sachsen natürlich eine Schuld an dem schlechten Ergebnis. Er sieht aber auch ein grundsätzliches Manko: »Wir befinden uns seit Anfang der 1990er Jahre in einer Daueropposition. Das ist Teil des Problems.« Die Linkspartei hätte in Sachsen nie klar den Anspruch erhoben, Herausforderer der CDU zu sein, hätte auch nie einen eigenen Kandidaten für das Amt des Ministerpräsidenten aufgestellt.

»Warum soll man jemand wählen, der in der Daueropposition ist«, brachte er die Haltung vieler Wähler auf den Punkt. Zudem habe es in Sachsen auch nie die Option eines linken Bündnisses gegeben, weil führende Vertreter von SPD und Grünen ein Bündnis mit den LINKEN als Nachfolgerin der früheren SED ablehnten.

Auch das strategische Wahlverhalten vieler Sachsen habe den Linken am 1. September ein paar Prozentpunkte gekostet, betonte der Fraktionschef: »Juliane Nagel hat in Leipzig ihren Direktwahlkreis gewonnen, bei den Zweitstimmen lag dort aber die Union vorn. Man hat bewusst die CDU gewählt, um die AfD zu verhindern.« Dafür würden auch die Resultate von SPD und Grünen sprechen.

»Es ist nun wichtig, sich die Zeit zu nehmen und innezuhalten - auch die personellen Fragen zu besprechen«, sagte Gebhardt mit Blick auf die Wahl des Fraktionsvorstandes am 17. September: »Es gibt zwei Möglichkeiten: einen radikalen Neuanfang oder einen Neuanfang in der Kontinuität. Beides kann ich mir vorstellen.« Wenn die Fraktion einen radikalen Neuanfang wolle, werde er das mittragen: »Nach so einem dramatischen Verlust muss man sich die Frage nach dem eigenen Anteil stellen.« Es sei für ihn daher eher überraschend, dass er aus der Partei mehrheitlich Rückenwind erhalte.

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Gebhardt zufolge werden soziale Gerechtigkeit und soziale Sicherheit die entscheidenden Themen der Linken bleiben. Im Wahlkampf sei es vor allem um Migration, Klima und Kriminalität gegangen - Dinge, bei denen man den LINKEN keine Kernkompetenz zuschreibt. »Es geht gar nicht so sehr darum, jetzt neue inhaltliche Punkte zu finden. Wir müssen unsere Kernthemen nur besser vermitteln.« Die AfD werde zwar als neue Protestpartei wahrgenommen, doch die Kompetenz bei sozialen Themen werde in Umfragen immer noch der Linkspartei zugestanden: »Die Zeit der LINKEN wird wieder kommen. Wir werden als Mehrheitsbeschaffer für ein anderes Klima in der Gesellschaft gebraucht.« dpa/nd

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