Zoff um Brennpunktzulage an Kitas

Pädagogengewerkschaft GEW kritisiert geplantes Lohnplus für Erzieher als »Mogelpackung«

  • Jérôme Lombard
  • Lesedauer: 3 Min.

Erzieherinnen und Erzieher an Kitas in sogenannten Brennpunkten in Berlin sollen schon bald mehr Geld verdienen als ihre Kollegen in anderen Kiezen. So sehen es die Pläne von Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) zur Ausgestaltung des Gute-Kita-Gesetzes der Bundesregierung vor.

Was eigentlich als Anreiz für Fachkräfte gedacht ist, in Einrichtungen in schwierigen sozialen Lagen zu arbeiten, stößt bei der Pädagogen᠆gewerkschaft GEW auf große Skepsis. »Ich befürchte, dass die geplante Brennpunktzulage für Erzieherinnen und Erzieher zur Mogelpackung wird«, sagt Christiane Weißhoff, Leiterin des Vorstandsbereichs Kinder-, Jugendhilfe und Sozialarbeit der Berliner GEW im Gespräch mit »nd«. So sei völlig ungewiss, welches die Kriterien sein werden, um als »Brennpunkt-Kita« durchzugehen, kritisiert Weißhoff. Auch wie die Zulage an die Beschäftigten bei freien Trägern gelangen soll, sei unklar.

Ab Mitte 2021 soll es laut Bildungsverwaltung für die Erzieherinnen und Erzieher an Brennpunkt-Kitas monatlich 300 Euro mehr Gehalt geben. »Das ist eine sehr besondere und herausfordernde Aufgabe«, betonte Bildungssenatorin Scheeres bei der Vorstellung der Maßnahme Ende September. Von den berlinweit rund 30 000 Erzieherinnen und Erziehern könnten nach Senatsangaben rund 4600 Fachkräfte an insgesamt 410 Kitas von dem Lohnplus profitieren. Dafür will das Land Berlin für 2021 und 2022 rund 25 Millionen Euro zur Verfügung stellen. Das Geld stammt aus den Töpfen des bundesweiten Gute-Kita-Gesetzes.

»Unter den Erzieherinnen und Erziehern wird nur ein kleiner Teil profitieren, andere werden am Ende sogar mit weniger Geld dastehen als zuvor«, gibt Weißhoff zu bedenken. Denn sobald eine Einrichtung den Brennpunktstatus verliere oder sich eine Erzieherin oder ein Erzieher für einen Jobwechsel entscheide, erfolge die Herabgruppierung im Lohnstatus. »Dies führt dann zu einem realen Einkommensverlust«, kritisiert die Gewerkschafterin.

Tatsächlich gibt es bislang noch keine genauen Angaben darüber, wie eine Einrichtung das Label »Brennpunkt-Kita« bekommen kann. Dem Vernehmen nach geht es um Betreuungseinrichtungen, in denen viele Kinder einen sprachlichen Förderungsbedarf haben und die in Kiezen liegen, in denen der Bezirk ein Quartiersmanagement eingerichtet hat.

Schon jetzt erhalten Erzieherinnen und Erzieher sowie Lehrerinnen und Lehrer an »Brennpunktschulen« einen Lohnzuschlag. Für Kitas gab es eine entsprechende Regelung bislang nicht. Die Kritik an dieser Ungleichbehandlung habe sie »sehr ernst genommen«, konstatierte Senatorin Scheeres. Deswegen habe sie sich auch für eine schnellstmögliche Einführung des Zuschlags im Kita-Bereich stark gemacht. Bereits jetzt kann eine »Brennpunkt-Kita« allerdings eine zusätzliche pädagogische Fachkraft bekommen, sofern in der Einrichtung der Anteil von Kindern mit nichtdeutscher Herkunftssprache mindestens 40 Prozent beträgt.

Dies sei eine gute Maßnahme, die die Bildungssenatorin mit den Geldern von der Bundesregierung weiter hätte ausbauen können, findet Gewerkschafterin Weißhoff. »Die Arbeit der Kitas in besonders schwierigen Kiezen mit mehr Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern zu unterstützen, wäre definitiv sinnvoller als die Einführung der Brennpunktzulage«, sagt Weißhoff. Denn wie schon die Zahlung einer Zulage bei den Lehrerinnen und Lehrern zeige, führe die Maßnahme nicht dazu, dass sich mehr Fachkräfte für die Arbeit an einer pädagogischen Einrichtung in sogenannten Brennpunkten entscheiden. »Schon an den Schulen hat die Zulage nicht funktioniert, und ich sehe nicht, warum das bei den Kitas anders sein soll«, sagt Weißhoff.

Die Brennpunktzulage ist freilich nur eine von insgesamt 20 Maßnahmen, die Senatorin Scheeres mit den finanziellen Mitteln aus dem Gute-Kita-Gesetz realisieren will. Hier gibt es aus Sicht der GEW auch durchaus viel Positives zu konstatieren. So wird beispielsweise der Quereinstieg gestärkt, indem das System der Anleitungsstunden auf weitere Zielgruppen ausgedehnt wird und Personen in der berufsbegleitenden Ausbildung zusätzlich zu den bisherigen Anleitungsstunden noch Vor- und Nachbereitungszeiten finanziert bekommen. Die Gewerkschaft begrüßt außerdem den angestrebten Aufbau von Fachberatungen und eines strukturierten Qualitäts-Unterstützungssystems für die praktische Arbeit in den Kitas.

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