Der Stabilisator

Mit dem 22-jährigen Julian Zenger hat Volleyballmeister Berlin nun auch eine starke Abwehr

Über das Lob vom Chef freut man sich ganz besonders. Das ist im Profivolleyball nicht anders als im normalen Alltagsjob. Als der Manager der Berlin Volleys, Kaweh Niroomand, nach dem 3:0-Bundesligasieg gegen Lüneburg am Mittwochabend Julian Zenger als besten Spieler auf dem Platz ausmachte, wurde das Lächeln im Gesicht des Liberos noch mal um einiges breiter. »So was hört man natürlich gern«, sagte der 22-Jährige, nur um - ganz der moderne Profi - die Anerkennung gleich aufs gesamte Team auszuweiten: »Das war das erste Spiel, in dem die ganze Mannschaft von Anfang an konzentriert war. Wenn wir das Niveau erreichen, ziehen wir jede Mannschaft ab.«

Zenger sprach wahrscheinlich nur über die nationale Konkurrenz, denn in Bundesliga, Pokal und Supercup haben die Berliner in der Tat noch nicht verloren. Wie weit das Team wirklich ist, zeigt sich aber wohl erst, wenn Anfang Dezember die Champions League startet. Aber schon jetzt ist klar ersichtlich, dass es besser spielt als vor einem Jahr.

Damals hatten die Volleys bereits zwei unerwartete Heimniederlagen einstecken müssen und waren besonders in der Annahme äußerst anfällig. Jetzt liegt genau hier eine Stärke, nach der der Serienmeister viele Jahre lang vergeblich gesucht hat. Ein Puzzleteil darin ist Zenger, der im Sommer aus Frankfurt am Main an die Spree gewechselt ist und nun meist gemeinsam mit Samuel Tuia und Kapitän Moritz Reichert die Abwehrformation stellt. »Wir werden in der Annahme immer stabiler. Die Entwicklung gefällt mir«, lobte auch Trainer Cedic Enard. »Es liegt aber nicht nur an Julian. Die Spieler haben jetzt meine Vorstellungen verstanden. Unsere Defensive haben wir sogar extra für Lüneburg noch mal etwas umgestellt. Das erfordert viel Konzentration und Disziplin, besonders weil wir das nur ein paar Minuten trainiert hatten. Aber die Jungs haben das perfekt umgesetzt.«

Zenger hat trotz seiner Jugend schon eine beeindruckende Karriere hingelegt. Ausgebildet beim VCO Berlin, dann in Friedrichshafen und bei den United Volleys in Frankfurt spielte er schon mit 19 in der Bundesliga und holte mit 20 als Stammlibero der Nationalmannschaft 2017 EM-Silber. Einen Titel allerdings hat er noch nicht gewonnen, da war der Wechsel im Sommer nur logisch. »Natürlich geht man nach Berlin, um Meisterschaft und Pokal zu gewinnen. Aber jetzt, mitten in der Saison, denke ich nicht daran. Wir versuchen nur, uns eine bessere Ausgangsposition für die Playoffs zu sichern als letztes Jahr«, so Zenger. Soll heißen, die Vormachtstellung der Berliner soll diesmal nicht erst in den Playoffs am Ende der Saison untermauert werden.

Mit dem Lob für den Jungnationalspieler will es die Berliner Führungsriege allerdings auch nicht übertreiben. »Klar war er schon Vize-Europameister. Aber er wird sich bei uns noch weiterentwickeln. Er muss jetzt aus sich rauskommen. Selbst wenn du als junger Bursche neben gestandenen Weltklasseprofis wie Sergej Grankin oder Samuel Tuia stehst, musst du dich trauen, die Führungsrolle in der Abwehr zu übernehmen und laut zu sein. Das hat er heute gemacht«, skizzierte Manager Niroomand die nächste Entwicklungsstufe, die Zenger nehmen müsse.

Trainer Enard fügte hinzu, dass sein Libero »noch beständiger« werden könne. »Die Gegner müssen Angst davor haben, in seine Richtung zu schlagen. Das ist sein Ziel, und ich bin mir sicher, dass er irgendwann dieser Spieler sein wird.« Noch allerdings sei das nicht so.

Die geforderte Beständigkeit dürfte nur durch permanentes Spielen auf hohem Niveau erreicht werden. In diese Kategorie fallen Partien gegen die SVG Lüneburg derzeit nicht, weshalb Zenger den Dezember kaum erwarten kann. Dann muss in der Königsklasse gegen zwei russische und ein slowenisches Spitzenteam gespielt werden. »Das ganze Team freut sich auf die Champions League. Da ist das Niveau noch mal ganz anders als in der Bundesliga, auch wenn die in den letzten Jahren viel stärker geworden ist«, so Zenger. »Aber in Europa wären wir auch mal der Außenseiter; das wird anders, und darauf freue ich mich.«

Bis dahin stehen aber noch ein paar Partien in der Bundesliga und im Pokal an. »Erst mal müssen wir am Samstag Düren schlagen«, sagte Zenger. Wie gesagt: ganz der moderne Profi. Nur nicht ablenken lassen! Nur nicht schon jetzt an das denken, was einem in drei Wochen Spaß machen könnte. Es scheint ganz so, als habe Julian Zenger schon in den ersten paar Monaten beim Deutschen Meister einiges gelernt.

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