Ein Hauch von Konfrontation

Phoenix und Madsack im Dienst der SPD: Im »TV-Duell« der verbliebenen Kandidaten für Parteivorsitz ging es um Verantwortung für Agenda 2010

Eigentlich ist es um eine parteiinterne Angelegenheit. Doch der letzte öffentliche Auftritt der verbliebenen Bewerberduos um den SPD-Vorsitz vor Beginn der Stichwahl ist eine Veranstaltung zweier Medienhäuser. Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans auf der einen und Klara Geywitz und Bundesfinanzminister Olaf Scholz auf der anderen Seite dürfen in einem vom öffentlich-rechtlichen Sender Phoenix am Montagabend übertragenen »TV-Duell« noch einmal darlegen, wie sie die SPD künftig führen wollen.

In der an eine Quizshow erinnernden Sendung aus Berlin ist nichts dem Zufall überlassen. Mitveranstalter ist der Madsack-Konzern. Von ihm eingeladene Leser der Zeitungen seines Redaktionsnetzwerks Deutschland dürfen Fragen stellen. Am Beginn steht ein Gespräch mit Linksfraktionschef Dietmar Bartsch und SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil. Bartsch verrät nicht, welches Team er bevorzugt, betont aber, er wünsche sich, »dass die Möglichkeiten für Mitte-Links größer werden«. Ob die Kandidaten ebenfalls auf eine solche Konstellation hinarbeiten, werden sie weder von den Moderatoren noch vom Publikum gefragt. Von sich aus äußern sie sich nicht dazu.

Unklarer Klassenstandpunkt
Kevin Kühnert will in den SPD-Vorstand. Dort wäre seine Rolle eine andere als bei den Jusos

Dafür wagt der ehemalige NRW-Finanzminister Walter-Borjans eine indirekte Kritik an Scholz und an dessen Mitverantwortung für zwei Jahrzehnte neoliberale Agendapolitik der SPD und an den vielen faulen Kompromissen in der GroKo. Das alles werde »auch mit Personen in Verbindung gebracht, und da brauchen wir einen Neuanfang«, fügt er hinzu.

Obwohl Walter-Borjans keine Namen genannt hat, ist Klara Geywitz empört: »Ich finde, du machst es dir ganz schön einfach, wenn du sagst, der Vizekanzler und beliebteste SPD-Politiker Deutschlands sei das größte existierende Problem der Sozialdemokratie.« Schließlich hätten es viele Schwesterparteien in Europa ebenso schwer.

Zuvor hatten Geywitz und Scholz die Erfolge der Partei in der GroKo herausgestellt. Wenn sie endlich aufhöre, diese »kleinzureden«, werde sie wieder »an Zustimmung gewinnen«, glaubt Geywitz. Auch Scholz machte deutlich, dass er die Fortsetzung des Regierungsbündnisses mit der Union für notwendig hält. Gerade habe die SPD mit dem Grundrentenkompromiss »einen riesigen Erfolg« errungen, befand der Vizekanzler; so könne man weitermachen.

Das finden Esken und Walter-Borjans nicht. Der Exminister betont, das Rentenniveau sei mit den nur bis 2025 garantierten 48 Prozent des Nettoverdiensts viel zu niedrig. Schließlich kämen viele Menschen schon mit ihren geringen Löhnen kaum über die Runden. Deshalb müssten mehr Menschen in die Rentenkasse einzahlen, zudem müssten Beiträge auf Einkommen aus Kapitalanlagen und Vermietung gezahlt werden. Scholz will das Rentenniveau über 2025 hinaus »stabilisieren«. Die »ständige Kritik an der gesetzlichen Rente« hält er indes für »Ideologie«.

Widerspruch meldeten Esken und Walter-Borjans auch zum Klimapaket der Bundesregierung, zu Rüstungsexporten und Auslandseinsätzen der Bundeswehr an. Sie wünsche sich »eine Politik, die auf Krisenprävention, internationale Gerechtigkeit und Friedenssicherung ausgerichtet ist«, sagt Esken. Walter-Borjans meint, es gehe nicht an, »dass wir immer noch Rüstungsgüter exportieren, besonders in Diktaturen«. Er spricht sich für eine Konversion der Rüstungsindustrie hin zur Produktion ziviler Güter aus. Geywitz dagegen findet, deutsches Kriegsgerät müsse weiter produziert werden, denn: »Wenn wir die Waffen nicht exportieren, und zwar nach strengen Kriterien, werden es andere unkontrolliert machen.« Außerdem brauche man Waffen aus eigener Herstellung für Abschreckungszwecke. Darüber hinaus sei man Teil eines Militärbündnisses. Auf die Verpflichtungen aus der NATO-Mitgliedschaft verweist auch Scholz.

Walter-Borjans fordert auch ein staatliches Investitionsprogramm im Umfang von gewaltigen 500 Milliarden Euro. Dafür müsse auch das Festhalten am Neuverschuldungsverbot aufgegeben werden. Esken betont, die Auflösung des Investitionsstaus in Schulen und anderer öffentlicher Infrastruktur müsse zur Bedingung für die Fortsetzung der GroKo gemacht werden. Verweigere die Union entsprechende Nachverhandlungen am Koalitionsvertrag, werde sie dem Parteitag »empfehlen, die Koalition zu verlassen«, betont sie.

Seit Dienstag können die SPD-Mitglieder entscheiden, welches der beiden Teams die Partei künftig führen soll. Am 30. November wird das Ergebnis der Stichwahl verkündet, eine Woche später soll es durch den Parteitag bestätigt werden.

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