Nichts zu lachen

Ein Zeichen, ein Bild, ein Meme, ein Krieg: Die Rechten und ihre Symbole im Netz

  • Veronika Kracher
  • Lesedauer: 6 Min.

In Zeiten, in denen Neonazis sich nicht nur in organisierten Kameradschaften vernetzen und agieren, sondern auch das Internet zu einem immens wichtigen Rekrutierungs- und Propagandainstrument der radikalen Rechten geworden ist, kann antifaschistische Arbeit anstrengend sein. Man sehe sich alleine mal rechte Internetforen an. Da ist beispielsweise die Seite »Politically Incorrect« auf dem gigantischen Forum 4chan, wo als »Meinungsfreiheit« getarnte Menschenverachtung höchstes Gebot ist und auf dem die sogenannte Alt-Right-Bewegung, wie wir sie heute kennen, herangewachsen ist. Oder man denke an die Kommentare unter den Videos von Carl Benjamin, der unter dem möglichst männlich und martialisch klingen sollenden Decknamen »Sargon of Akkad« für die Alt-Right ungefähr das ist, was »Bibis Beauty Palace« für 14-jährige Mädchen darstellt. Oder an die rechtsradikalen Gruppen auf der Videospielplattform Steam, in denen man sich nicht nur trifft, um in Spielen, die den Zweiten Weltkrieg thematisieren, in Polen einzumarschieren, sondern auch um der Attentäter von München und Halle zu gedenken.

Überall findet man auch Bilder von Fröschen mit Clown-Make-up, schlecht gekleidete junge Männer posieren mit der grünweißen Fahne der fiktiven Nation »Kekistan« - in der einen Hand halten sie eine Packung Milch, mit der anderen signalisieren sie das »O. K.«-Handzeichen. Es gibt eine ganze Reihe solcher kryptischer Begriffe, Zahlen, Codes und Memes, also Internetphänomene, die ihren Ausdruck unter anderem in Bildern oder Videos finden. Während sich die Symbolik und Sprache traditioneller Neonazis noch halbwegs erschließt, ist das Navigieren in der Welt der Online-Rechten um einiges schwieriger, vor allem, da mehr und mehr scheinbar unschuldige Symbole und Memes von der radikalen Online-Rechten okkupiert werden.

Inzwischen hat die Organisation Anti Defamation League, die vor allem Aufklärungsarbeit in Sachen Antisemitismus und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit leistet, auch das bereits erwähnte »O. K.«-Handzeichen auf ihre Liste der Hasssymbole gesetzt. Das Zeichen wird von den Rechten als Symbol für »White Power« verwendet. Der Attentäter von Christchurch, der 51 Menschen muslimischen Glaubens ermordet hatte, um gegen einen von ihm imaginierten »Großen Austausch« vorzugehen, formte es vor laufender Kamera während seines Prozesses - eine kleine Referenz auf rechtsradikale »Meme Culture« für seine Neonazi-Fans. Das Handzeichen wird auch regelmäßig auf faschistischen Demonstrationen in den USA gezeigt.

Dennoch, so die Anti Defamation League, wäre es unangebracht, der eigenen Mutter faschistisches Denken zu attestieren, falls diese das Zeichen in einer WhatsApp-Nachricht als Emoji verwendet. Nazis wollen das weit verbreitete Symbol okkupieren und reaktionär aufladen. Gelegentlich driften solche Versuche ins Lächerliche ab - beispielsweise wenn Rechte versuchen, Milchtüten als Symbol für weiße Vorherrschaft zu labeln und auf Online-Videos literweise Milch in sich hineinschütten, vermutlich um »Libs zu ownen«, also Liberale zu trollen und zu provozieren.

Dass Symbole oder Memes von der Alt-Right adaptiert werden, bekam auch der Webkünstler Matt Furie zu spüren. Zu seinen Kreationen zählt »Pepe the frog«, ein anthropomorpher Frosch mit dem Charakter eines entspannten und optimistischen Kiffers und dem Schlagwort »Feels good, man«. Die 2005 im sozialen Netzwerk Myspace ins Leben gerufene Comicfigur avancierte, nachdem sie über Jahre hinweg auf Imageboards oder in Foren geteilt worden war, ab 2016 zum Symbol der Alt-Right.

Auch Donald Trump, für dessen Erfolg die Online-Armada der Alt-Right maßgeblich mitverantwortlich war, teilt Pepe-Memes auf Twitter. Der Frosch wurde alsbald zum Symbolbild der Alt-Right, es entwickelte sich ein Kult um die Comicfigur. Auf 4chan wird statt der Abkürzung »lol« (für »laughing out loud« - lauthals lachen) auch gerne »kek« verwendet - sowohl als Ausdruck für Gelächter als auch als (immer auch derogative) Bezeichnung für andere, da man sich auf diesen Foren permanent sich selbst und anderen gegenüber abwertend verhält. Gleichzeitig ist »Kek« im altägyptischen Pantheon der froschköpfige Gott der Dunkelheit und des Chaos. Das motivierte Internetnutzer dazu, unter ihrer Gottheit Kek den »Cult of Kek« und die fiktive Nation »Kekistan« zu etablieren, die »allen von Feminismus und politischer Korrektheit Verfolgten« Asyl bieten soll. Die zugehörige schwarz-weiß-grüne Fahne besteht aus einem leicht nach rechts versetzten Kreuz; in der Mitte ist ein weißer, schwarz umrandeter Kreis mit dem Schriftzug »KEK« platziert - eine bewusst gewählte Parallele zur Reichskriegsflagge.

Der Zeichner Furie, der wenig begeistert davon war, dass sein Comic-Charakter zu einem Hasssymbol avanciert war, ließ den Frosch Pepe in einem Comicstrip sterben und verklagte erfolgreich den rechtsradikalen Verschwörungstheoretiker Alex Jones auf 15 000 Dollar. Jones, Betreiber der rechten Webseite »InfoWars«, sollte Pepe fortan nicht mehr für seine antisemitische, rassistische und antifeministische Propaganda verwenden dürfen. Doch trotz Furies vehementen Vorgehens ist Pepe noch immer ein populäres Symbol der Online-Rechten. Er wird regelmäßig als »Honkler« dargestellt, mit bunter Perücke, Clown-Make-up und roter Nase. In dieser Aufmachung steht er symbolisch für die nihilistische und menschenverachtende »Blackpill«-Ideologie, die unter anderem von den extrem frauenfeindlichen Incels (»involuntary celibate« - unfreiwillig enthaltsam) verwendet wird. Diese Ideologie suggeriert, dass eigentlich alles auf der Welt zum Lachen sei - vor allem Gewalt gegen Frauen, nicht weiße oder queere Menschen. Eine narzisstische Kränkung von Männlichkeit finden die selbst ernannten Clowns jedoch überhaupt nicht mehr komisch. Auch der Batman-Antagonist »Joker« ist eine populäre Identifikationsfigur der Internet-Rechten.

Allerdings wird auch oft mit Codes und Begriffen gearbeitet, deren Verständnis sich dem als »Normie« titulierten Durchschnittsmenschen entzieht. Der Code »13/52« zum Beispiel ist eine rassistische Chiffre, die auf der Falschbehauptung basiert, dass Afroamerikaner 13 Prozent der US-amerikanischen Bevölkerung ausmachen, aber die Hälfte aller Straftaten begehen würden. Dass Schwarze in einem rassistischen Polizeisystem signifikant häufiger für Lappalien verurteilt werden, für die Weiße mit einem freundlichen Nicken der Polizei bedacht werden, wird natürlich geflissentlich ignoriert.

Einerseits ermöglichen Memes den Rechten eine spielerische Verbreitung ihrer menschenverachtenden Ideologie. Politische Inhalte lassen sich auf diese Art unkompliziert und schnell verbreiten und sprechen jüngere Leute an, denen Figuren wie Pepe schon vertraut sind. Über Memes vermittelte politische Inhalte sind leicht zu konsumieren, da sie scheinbar witzig daherkommen - und man muss sich nicht mit Lästigem wie Theorie herumschlagen. Allein die Form eines Memes macht es leicht, einen scheinbar primär ironischen Zugang zu dem Dargestellten zu finden. Dieses wird jedoch mit der Zeit immer ernsthafter. Es ist nicht verwunderlich, dass der Trump-Administration angegliederte Alt-Right-Stratege Jeff Gisea bereits 2015 in einer NATO-Publikation dafür plädierte, man müsse sich verstärkt der »Memetic Warfare« zuwenden, also der Kriegsführung mit Memes.

Andererseits dienen Memes der Erkennung untereinander. Gerade für Uneingeweihte schwer zu erschließende Memes wie »Kekistan« oder Codes, die aus Slangwörtern bestehen wie »Soyboy« (ein liberaler und somit »verweichlichter« Mann) oder »Femoid« (ein dehumanisierender Begriff für Frauen), sind vor allem eine Form der Abgrenzung.

Die Rechten sehen sich als Teil einer verschworenen Online-Elite, die sich durch die Verwendung ihrer Codes über weniger Eingeweihte erheben und diese verlachen kann. Wer diese mehr und mehr erstarkende und gefährliche Internet-Rechte adäquat bekämpfen möchte, kommt nicht umhin, sich mit ihren teilweise obskur anmutenden Symboliken zu befassen: Es braucht Aufklärungsarbeit über die Online-Rechte, wie beispielsweise von der Amadeu-Antonio-Stiftung betrieben, und direkte Interventionen in und gegen ihre Boards und Gruppen, quasi eine »Memetic-Counter-Warfare« - ein Kontrageben mit eigenen Memes.

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