Warten auf den Beginn der Schulbau-Offensive

An der Grundschule am Schleipfuhl im Berliner Stadtteil Hellersdorf fehlen seit Jahren dringend benötigte Schulplätze

  • Jérôme Lombard
  • Lesedauer: 3 Min.

Sven Kohlmeier ist stinksauer. »Die Grundschule am Schleipfuhl ist für mich ein Beispiel für Politikversagen«, schimpft er. Kohlmeier, 43 Jahre alt, SPD-Abgeordneter für den Wahlkreis Kaulsdorf/Hellersdorf im Bezirk Marzahn-Hellersdorf, kennt die Grundschule in der Nossenener Straße im Ortsteil Hellersdorf-Süd seit Jahren. Er ist im Kiez groß geworden.

»Wer es ernst meint mit der Bildungsgerechtigkeit, muss bei den Brennpunktschulen anfangen«, sagt der SPD-Politiker. Die Grundschule am Schleipfuhl ist eine solche sogenannte Brennpunktschule. 80 Prozent der Schüler sind lernmittelbefreit. Das Wohnumfeld gilt als schwierig. Die AfD-Fraktion hier in der Bezirksverordnetenversammlung ist die stärkste in ganz Berlin.

»Die beste Medizin gegen rechtes Gedankengut ist immer noch die Bildung, insbesondere in jungen Jahren«, so Kohlmeier. Für eine gute Bildung braucht man gute Lehr- und Lernbedingungen. Doch davon kann an der Grundschule am Schleipfuhl nicht die Rede sein. Die Schule ist seit Jahren notorisch überbelegt. Ausgelegt für maximal 546 Schüler, lernen dort derzeit 579 Kinder, wie eine Schriftliche Anfrage Kohlmeiers an die Bildungsverwaltung im Oktober ergab. Da für so viele Schüler vor Ort kein Platz ist, müssen sechs Klassen an jeden Schultag mit dem Bus zur rund sieben Kilometer entfernten Marcana-Gemeinschaftsschule gefahren werden. Kosten für den Transfer: 80 000 Euro pro Schuljahr.

Schon 2015 wollten Lehrer und Eltern der Grundschule am Schleipfuhl mit einem Brandbrief an Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) auf ihre Situation aufmerksam machen. Kohlmeier, der im Bezirk gut vernetzt ist, hatte damals von dem Schritt abgeraten. »Ich hatte gedacht, es sei besser, die Raumnot innerhalb der Verwaltung zu diskutieren, um schnell Abhilfe zu schaffen«, sagt der Abgeordnete. Heute muss er eingestehen: »Ich habe mich böse getäuscht.« Denn die von der Bildungsverwaltung und vom Bezirksamt Marzahn-Hellersdorf zur Lösung der Raumsituation in Aussicht gestellten »Modularen Ergänzungsbauten« (MEB) sind noch immer nicht da.

2018 sah es so aus, als könnten die Schulcontainer auf der grünen Wiese vor dem Schulgebäude aufgestellt werden. Die Lieferung der MEBs war bestellt. Doch dann kam die Absage aus dem Bezirksamt. Einer Mitarbeiterin waren Pläne der Verkehrsverwaltung aus den 1990er Jahren in die Hände gefallen, die auf der Wiese die Verlegung einer Tram-Linie vorsehen. Auch wenn es, wie einer Mitteilung von Verkehrssenatorin Regine Günther (Grüne) aus dem Sommer 2018 zu entnehmen ist, keine konkreten Umsetzungspläne für die Tram-Linie vor der Grundschule gibt, sind die alten Pläne nach wie vor gültig. Da ein Schulgelände nicht durch eine Tram durchschnitten werden darf, kamen die MEBs bisher auch nicht.

Kohlmeier ist mit seinem Latein am Ende. »Ich bin von der Bildungsverwaltung und dem Bezirksamt enttäuscht«, sagt er. »Seit Jahren wird die Grundschule am Schleipfuhl vertröstet, doch es ändert sich nichts.«

Immerhin gibt es jetzt positive Signale aus dem Senat. Bildungsstaatssekretärin Beate Stoffers hat sich der Grundschule angenommen. »Die Schule benötigt dringend Entlastung«, sagt Stoffers. Die ganze Situation sei der Schulgemeinschaft nur noch schwer vermittelbar. Die Bildungsstaatssekretärin rät der Bezirksverwaltung, sich an anderen ein Beispiel zu nehmen. »Wenn ein Bezirk seit Jahren Schwierigkeiten bei der Bestellung und Aufstellung von Containern hat, dann ist es sinnvoll, sich aktiv mit anderen Bezirken zu vernetzen«, sagt sie. So habe es Charlottenburg-Wilmersdorf binnen sechs Monaten geschafft, temporäre Pavillons für Schulen aufzustellen. Mit dem Know-how der anderen sollte es das Bezirksamt nach Einschätzung von Stoffers schaffen, bis Juni 2020 MEBs mit zwölf Klassenräumen für jeweils 26 Schüler auf der Wiese vor der Grundschule zu errichten.

Da die Tram-Linie nicht vom Tisch ist, dürften die aber nicht lange dort stehen. Die Planungen für einen MEB auf dem Schulgelände hat der Senat im Rahmen der Berliner Schulbauoffensive übernommen. Ebenso wie den Neubau einer Grundschule in der Nähe. Mit beiden Maßnahmen soll sich das Schulplatzangebot im Kiez nachhaltig entspannen. Ab dem Schuljahr 2022/2023.

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