Die Besserwisser begreifen nicht

Andreas Fritsche zur Dominanz Westdeutscher in der Politik

Gerade so haben Brandenburgs Grüne am Samstag in Templin noch einen von zwei Spitzenposten ihres Landesverbandes mit einer Ostdeutschen besetzt. Aber deutlich spürbar war dafür nicht die Herkunft von Alexandra Pichl, sondern ihr Geschlecht entscheidend. Das zeigt, dass die Grünen, die oft alles besser zu wissen meinen, nicht begriffen haben, was falsch daran war, keinen einzigen ihrer Minister- und Staatssekretärsposten mit einem Ostdeutschen zu besetzen. In Templin hätten sie ein Signal senden können. Dazu hätten sie aber vorher gezielt einige Ostdeutsche unter ihren Mitgliedern als Kandidaten für den Landesvorsitz gewinnen müssen.

Der am Ende gegen Pichl knapp gescheiterte Gerhard Kalinka »wurde am 6. Januar 1962 in Berlin geboren«, so stand in seiner Vorstellung. Sein Erscheinungsbild sprach für Berlin (West). In seiner Generation ist das noch leicht zu erkennen. Auf die sicherheitshalber gestellte Nachfrage reagierte Kalinka pikiert mit der Gegenfrage, ob das eine Rolle spiele?

Ja, spielt es. Auch bei der 26-jährigen neuen Landeschefin Julia Schmidt ist die Herkunft noch von Bedeutung. Die in den 1990er Jahren Geborenen haben kulturelle und sozialen Unterschiede zwischen Ost und West noch in den Elternhäusern aufgenommen.

Willkommen sind in Brandenburg beispielsweise polnische Menschen, die in der Uckermark leben und zur Arbeit in die alte Heimat pendeln, weil die Dörfer wegen dieser Neubürger nicht aussterben. Willkommen sind syrische Flüchtlingskinder, weil sie die Schule in Golzow retten. Willkommen sind alle Menschen, selbstverständlich auch Westdeutsche, die als Ärzte, Lehrer oder Handwerker kommen. Kein Mangel besteht jedoch an Westdeutschen, die in der Politik das Kommando übernehmen und den Ostdeutschen dann womöglich auch noch erzählen wollen, wie sie über ihr Leben in der DDR zu denken haben. Das sollten auch die Grünen endlich begreifen.

#ndbleibt – Aktiv werden und Aktionspaket bestellen
Egal ob Kneipen, Cafés, Festivals oder andere Versammlungsorte – wir wollen sichtbarer werden und alle erreichen, denen unabhängiger Journalismus mit Haltung wichtig ist. Wir haben ein Aktionspaket mit Stickern, Flyern, Plakaten und Buttons zusammengestellt, mit dem du losziehen kannst um selbst für deine Zeitung aktiv zu werden und sie zu unterstützen.
Zum Aktionspaket

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal