Eine schwarze Blaupause für Magdeburg

In Sachsen-Anhalts CDU gibt es bis in Führungskreise keine Scheu vor der AfD. Nicht ausgeschlossen, dass diese Strömung nach der Landtagswahl 2021 Oberwasser erhält.

  • Hendrik Lasch
  • Lesedauer: 4 Min.

Siegfried Borgwardt, CDU-Fraktionschef in Sachsen-Anhalt, scheint ein Faible für den alten Werbespruch eines Herstellers von Küchentüchern zu haben: »Mit einem Wisch / ist alles weg.« Am Sonntag warb sein Stellvertreter Lars-Jörn Zimmer im ZDF dafür, im Land eine CDU-Alleinregierung mit Hilfe der AfD zu installieren. Borgwardt hatte dafür nur vier magere Zeilen in einer Pressemitteilung übrig: Der Abgeordnete Zimmer habe eine »persönliche Meinung« geäußert; »Unvereinbarkeitsbeschlüsse« von Fraktion und Landespartei mit Blick auf die AfD würden »unverändert« gelten. Das klang wie: Ein Wisch - und alles weg.

Alles weg? Mitnichten. Seit der Landtagswahl 2016 und immer aufs Neue quält sich die CDU in Sachsen-Anhalt mit der Frage, wie sie es mit der AfD halten soll. Trotz aller Reinhalteversuche führender Funktionäre wie Ministerpräsident Reiner Haseloff oder Landeschef Holger Stahlknecht will der schwarz-blaue Fleck nicht verschwinden - im Gegenteil: Die Vorgänge von Erfurt scheinen den Befürwortern einer Kooperation mit der AfD im benachbarten Bundesland als Blaupause zu dienen. Das Gefährliche daran: Im Juni 2021 wird der Landtag neu gewählt. Womöglich wird dann Realität, was in Erfurt noch mit Mühe verhindert wurde.

Schon nach der Wahl 2016 gab es dem Vernehmen nach in der CDU einige, die mit der AfD regieren wollten. Diese hatte aus dem Stand einen furiosen Wahlerfolg gefeiert, war mit 24,3 Prozent bis auf 5,5 Punkte an die CDU herangerückt und hatte ihr vor allem im Landessüden reihenweise Direktmandate abgeknöpft. Offenbar war es vor allem der unnachgiebigen Haltung von Haseloff zu danken, dass sie am Ende doch in die einzig mögliche andere Koalition eintrat: in das bundesweit erste Dreierbündnis mit SPD und Grünen - das zumindest die kleineren Koalitionspartner stets als »Bollwerk gegen rechts« verstanden.

In der CDU allerdings schwelt Unmut über diese Entscheidung. Er äußert sich in verdeckten Grätschen gegen die Koalition bei Abstimmungen etwa über Personen, in offenem Paktieren von Teilen der CDU mit der AfD bei Einsetzung einer »Enquetekommission Linksextremismus«. Und er wurde in programmatische Papiere gegossen wie die »Denkschrift«, die Lars-Jörn Zimmer und sein Kollege Ulrich Thomas nach der Europawahl 2019 vorlegten. Darin klagten sie, dass die CDU im Bündnis mit SPD und Grünen an Profil verliere, und forderten, das »Nationale mit dem Sozialen« zu versöhnen.

Derlei geschichtsvergessene Thesen sind mitnichten Äußerungen von Hinterbänklern; Zimmer und Thomas sind die stellvertretenden Fraktionschefs. Wie viel Rückhalt sie in der 30-köpfigen Truppe haben, ist offen. Der Einfluss des rechten Lagers scheint aber so groß zu sein, dass es Landeschef Stahlknecht in seiner Funktion als Innenminister für geboten hielt, ihm mit einer Personalie entgegenzukommen: Der rechte Polizeigewerkschafter Rainer Wendt sollte Staatssekretär werden. Das Manöver brachte die Koalition fast zum Platzen, wurde abgeblasen - und ließ Stahlknecht, der als Spitzenkandidat der CDU für die Wahl 2021 gehandelt worden war, beschädigt zurück.

Die schwierige Gemengelage lässt seit dem Eklat von Erfurt nun viele in Magdeburg Arges für 2021 fürchten. Grünen-Landeschef Sebastian Striegel twitterte: »Schaut nach Sachsen-Anhalt!« Auch dort werde es um die Frage gehen, »ob Nazis durch CDU und FDP mit an die Macht gelassen werden«. Landtagsvizepräsident Wulf Gallert (Linke) erklärte nach den Äußerungen Zimmers im ZDF, nun sei »der Fahrplan für 2021 (oder 20) offengelegt«. Laut SPD-Landeschefin Juliane Kleemann bewegt sich die CDU mit ihren Fraktionsvizes auch in Sachsen-Anhalt »weg vom demokratischen Grundkonsens«; man sehe »eine Machtoption« mit der AfD.

Mancher in der Union hält dagegen. So kennt Christian Reinboth, CDU-Mitglied im Harz, »jede Menge« Parteifreunde, die einen Pakt mit der AfD ausschließen. Er räumt aber ein, dass es den internen Streit gibt, und mahnt, ihn schnell zu klären. Die CDU müsse »JETZT entscheiden«, ob sie eine Volkspartei mit bürgerlichen und christlichen Werten bleiben wolle oder nicht: »Es ist nicht länger aufschiebbar.«

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