Rückendeckung für Saleh

Jüdische Politiker verteidigen SPD-Fraktionschef und dessen Kritik an CDU und FDP

  • Jérôme Lombard
  • Lesedauer: 3 Min.

»Uneingeschränkt zur Demokratie und zum Grundgesetz stehen nur die Parteien der linken Mitte - nämlich SPD, Grüne und Linke.« Diese Aussage vom Berliner SPD-Fraktionsvorsitzenden Raed Saleh, getätigt in einem Gastbeitrag für die »Berliner Zeitung« aus Anlass der Kungelei von CDU und FDP mit der AfD in Thüringen, sorgt aktuell für reichlich Gesprächsstoff in der Berliner jüdischen Community.

Die Aufregung ist groß, seit die beiden Vorsitzenden des Arbeitskreises jüdischer Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten (AKJS) in Berlin und Brandenburg, Renée Röske und Mirko Freitag, im »Tagesspiegel« eine Erwiderung veröffentlicht haben, in dem sie Saleh heftig angehen. Der Fraktionschef habe mit seiner Infragestellung der Demokratiefestigkeit von CDU und FDP »viele engagierte Menschen zutiefst verunglimpft«, heißt es dort. In einer Zeit von Polarisierung und Antisemitismus müssten alle Demokraten zusammenhalten. Sonst triumphiere nur die AfD. Wer die Parteien der bürgerlichen Mitte als prinzipiell offen gegenüber der Neurechten darstelle, habe nicht das Zeug zum SPD-Parteivorsitzenden in der Hauptstadt, so das Credo von Röske und Freitag. Saleh strebt diese Position in einer Doppelspitze mit der Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) an.

Ganz starker Tobak sei das von den Parteifreunden, findet Peter Sauerbaum. Der 74-jährige Jurist und Kulturmanager ist seit 52 Jahren in der SPD und Mitglied des AKJS in der Hauptstadt. »Ich stehe hinter Raed Saleh und seiner Kritik an Konservativen und Liberalen«, sagt Sauerbaum zu »nd«. Im Erfurter Landtag sei durch die Wahl des FDP-Politikers Thomas Kemmerich zum - wenn auch nur vorübergehenden - Ministerpräsidenten mit den Stimmen von CDU und AfD eine Situation eingetreten, »die man sich als Jude und Sozialdemokrat in Deutschland nach 1945 nicht hätte vorstellen können.«

Das bedeute keinesfalls, dass es unter CDU- und FDP-Politikern keine aufrechten Demokraten gebe, so Sauerbaum weiter: »Aber wenn ich mir insbesondere den Landesverband der CDU in Berlin anschaue, habe ich von dort keine eindeutige Distanzierung gegenüber den Vorgängen in Thüringen vernehmen können.«

Die Kritik seiner Parteikollegen hat auch Michael Groys überrascht. Der 28-jährige Berliner, Mitglied des jüdischen SPD-Arbeitskreises seit dessen Gründung 2007, sagt mit Blick auf die Kritik von Röske und Freitag: »Ich möchte mich ganz deutlich von dem Gastbeitrag der Genossen distanzieren.« Es sei mit der Erfurt-Wahl nicht zu leugnen, dass einige Konservative und Liberale zu schwanken beginnen, wenn es um die Kooperation mit Rechtsaußen-Politikern gehe. »Das kann den Parteien links von der Mitte nicht passieren, so einfach ist das«, meint Groys. Die Kritik an Saleh halte er auch deswegen für falsch, weil sich »kaum ein Berliner Sozialdemokrat mit so viel Einsatz und Ehrgeiz für lebendiges jüdisches Leben« eingesetzt habe wie der Fraktionschef.

Auch Sergey Lagodinsky, Mitglied der Jüdischen Gemeinde zu Berlin und grüner Europa-Abgeordneter, hat die Kritik an Saleh verwundert. »Er hat sich in Berlin immer gegen Antisemitismus und für jüdisches Leben engagiert«, so Lagodinsky. Allerdings könne er Salehs »pauschale Selbstbeweihräucherung des linken Lagers in puncto Demokratieverteidigung« nicht teilen. »Auch links der Mitte gibt es Kräfte, deren Verhältnis zu Demokratie, historischer Verantwortung und etwa auch zum Existenzrecht des Staates Israel nicht eindeutig geklärt ist«, wie Lagodinsky gegenüber »nd« betont.

Der SPD-Fraktionschef selbst verteidigt derweil seine Aussagen. »FDP und CDU sind demokratische Parteien. Dass im Vorfeld der Wahl in Thüringen Gespräche mit der AfD geführt wurden und dass die Werteunion mit der AfD verhandelt, das ist ein deutlicher Tabubruch. Das ist unverzeihlich«, sagt Saleh. Er sei sich sicher, dass die meisten Mitglieder von CDU und FDP so denken und fühlen würden. »Daher haben die Funktionäre dieser beiden Parteien etwas zu klären, wenn einzelne auf Tuchfühlung zu Feinden der Demokratie gehen.«

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