»Wir reden jetzt von Mensch zu Mensch«
Die Bischofskonferenz zeigt, dass der Reformdruck bei der katholischen Kirche in Deutschland zunimmt
Als der Münchner Kardinal Reinhard Marx in seiner Predigt während des Eröffnungsgottesdienstes am Montag sagte, die Kirche im Aufbruch müsse manches hinter sich lassen, bekam Applaus von Frauen. Sie trugen in dem Mainzer Dom weiße Schals als Zeichen des Protests gegen die Ungleichbehandlung in der Kirche. Zuvor hatte Marx zusammen mit dem Präsidenten des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Thomas Sternberg, 130 000 Unterschriften mit der Forderung nach Gleichberechtigung in der Kirche entgegengenommen. Beide gehören dem Präsidium des Synodalen Weges an, des Anfang Dezember gestarteten Dialogforums der deutschen Katholiken.
Schon der Eröffnungsgottesdienst machte deutlich, dass der Druck auf die katholische Kirche zunimmt. Macht, Zölibat und Sexualmoral werden in Frage gestellt; und Frauen fordern Geschlechtergerechtigkeit. »Was wir nicht wollen, ist die eindeutige Rollenzuweisung: Frauen sind fürs Dienen da und Männer für die Macht«, sagte die Vorsitzende der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands, Mechthild Heil. Frauen seien durchaus bereit zu dienen, ergänzte sie. »Wir fordern aber auch ein, Macht in unserer Kirche zu übernehmen.«
Die Neuwahl des Vorsitzenden der Bischofskonferenz am Dienstag brachte mit dem Limburger Bischof, Georg Bätzing einen eher liberalen Kleriker an die Spitze des Gremiums. Er wird Marx ablösen. Im Synodalen Weg sieht Bätzing eine große Chance für eine »gemeinsame Vergewisserung darüber, wie unter den Bedingungen positiver Zeitgenossenschaft die Botschaft des Evangeliums für und mit Menschen heute relevant werden kann«, predigte der 58-Jährige unlängst.
Wie emotional die Diskussionen um Reformen mittlerweile geführt werden, zeigte ein Pressegespräch der Basisbewegung »Wir sind Kirche« am Montag. Dort verlangten Initiativen von Betroffenen sexueller Gewalt in der Kirche eine umfassende Entschädigung. »Es geht nicht um eine Anerkennung, es geht um eine Entschädigung für den Schaden, der im Leben von Tausenden von Menschen angerichtet ist«, sagte Matthias Katsch von der Betroffenenorganisation Eckiger Tisch. Rund 5000 Euro können Betroffene derzeit als Unterstützung in Deutschland geltend machen. Betroffene in Irland haben dagegen durchschnittlich rund 65 000 Euro erhalten. Katsch erwägt, künftig auch zivilen Ungehorsam einzusetzen: »Wir haben bislang davon abgesehen, Gottesdienste zu stören - das wäre eine Möglichkeit.« Marx zeigte sich optimistisch, dass die Vollversammlung Eckpunkte für eine Entschädigung erarbeiten werde.
Als Gegner des Synodalen Weges positionierte sich der Erzbischof von Köln, Kardinal Rainer Maria Woelki. Er monierte, dass bei der Synodalversammlung vor vier Wochen in Frankfurt am Main die Bischöfe mit ganz normalen Gläubigen gemeinsam in die Kirche eingezogen waren. Das erwecke den Eindruck, »dass da jeder gleich ist. Und das hat eigentlich nichts mit dem zu tun, was katholische Kirche ist und meint.«
Woelkis Statement hat scharfen Protest hervorgerufen, etwa beim Solinger Oberbürgermeister Tim Kurzbach (SPD). Der Diözesenanratevorsitzende im Erzbistum Köln meinte: Die Zeit sei vorbei, »in der die Amtsträger reden und die anderen zuhören. Wir reden jetzt von Christ zu Christ und von Mensch zu Mensch.«
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