Akademisch prekär

Die finanziellen Belastungen durch Wohnkosten für Studierende sind in Hamburg enorm

  • Volker Stahl, Hamburg
  • Lesedauer: 3 Min.

Studierende von der HafenCity Universität (HCU) haben die Situation angehender Akademiker auf dem Hamburger Wohnungsmarkt untersucht. Dazu haben sie rund 500 Kommilitoninnen und Kommilitonen online befragt und festgestellt, dass einige schlechtergestellt sind als Bezieher von Transferleistungen.

Durchschnittlich haben die Befragten, die an verschiedenen Hamburger Hochschulen eingeschrieben sind, monatlich 1004 Euro zur Verfügung. Im Schnitt werden davon 408 Euro für das Wohnen abgezweigt - also 43 Prozent. Bei der Betrachtung der Wohnformen kristallisieren sich deutliche Unterschiede heraus: In Wohngemeinschaften lebende Studierende zahlen durchschnittlich 430 Euro, Lebensgemeinschaften pro Person 500 Euro und Singles 505 Euro. Glück hat, wer in einem Wohnheim unterkommen kann, wo die Miete monatlich im Schnitt bei 340 Euro liegt. Deutlich höher sind die Kosten, die Single-Haushalte mit Kind (712 Euro) und Lebensgemeinschaften mit Partner und Kind (je 750 Euro) aufbringen müssen.

»Insgesamt zeigt sich, dass die finanziellen Belastungen durch Wohnkosten enorm sind und für alle Studierenden deutlich bis sehr deutlich die Belastungsgrenze von 30 Prozent überschreiten, die als Schwellenwert für zumutbare Mietkostbelastungen üblicherweise angesetzt wird«, heißt es in der Studie, an der zu 29 Prozent 17 bis 21-Jährige, 18 Prozent 27 bis 31-Jährige und fünf Prozent über 31 Jahre alte Immatrikulierte teilgenommen haben. Die 22 bis 26-Jährigen machten mit knapp der Hälfte den größten Anteil der Befragten aus.

Das Grundproblem ist, dass zu wenig bezahlbare Wohnungen für die rund 100 000 Studierenden in der Hansestadt im Angebot sind. Das Studierendenwerk stellt nur 4400 Plätze in 26 Anlagen zur Verfügung. Staatliche Wohnheimplätze kosten derzeit 295 Euro, private 387 Euro im Schnitt. »Wenn nur vier von hundert Studierenden die Chance haben, ein günstiges Zimmer in einem der Wohnheime des Studierendenwerks zu ergattern, dann wird die prekäre Lage der Studierenden auf dem Hamburger Wohnungsmarkt mehr als offenkundig«, sagt Siegmund Chychla vom Mieterverein zu Hamburg.

In hippen privaten Heimen wie Woodle Hamburg oder Stuart Student Apartments, die in attraktiven citynahen Lagen derzeit wie Pilze aus dem Boden schießen, zahlen die Bewohner sogar knapp 600, beziehungsweise mehr als 700 Euro für ihr Zimmer. Die Studie hat ergeben, dass immer mehr Studierende eine Bleibe auf dem regulären Wohnungsmarkt suchen, wo Anbieter vermehrt mit möblierten Zimmern auf den Markt drängen, weil diese nicht der Mietpreisbremse unterliegen. Da ein Großteil der Befragten mehr als 40 Prozent des Einkommens für das Wohnen ausgibt, Single-Haushalte sogar 47 Prozent, ist eine Ernährung mit Weißbrot und Fertiggerichten aus der Dose nicht ausgeschlossen. Weil Wohnungen in der allgemeinen Vermietungspraxis nur vergeben werden, wenn das Einkommen dreimal so hoch ist wie die Miete, ist davon auszugehen, dass viele Studis nur mit Hilfe von Bürgschaften eine Wohnung bekommen - eine soziale Auslese ist da programmiert. »Es ist nicht nur bedenklich, dass Studierende in Hamburg auch mit einem Bafög-Höchstsatz von 853 Euro oft mehr als die Hälfte ihres Einkommens für das Wohnen ausgeben müssen«, kritisiert Siegmund Chychla. »Viel schlimmer ist es, dass sie dann weniger zum Leben als Transferleistungsempfänger haben.«

»Wir Studierende nehmen diese hohen Kosten oftmals in Kauf, um unseren Studien- und Arbeitsort gut erreichen zu können«, sagt Studentin Merle Dierks, die an der Studie mitgearbeitet hat. Diese Mehrbelastung sei oft nur mit mehreren Jobs zu bewältigen, die zu einer Überschreitung der Regelstudienzeit führen kann. Klar ist: Die zuletzt im Jahr 2019 auf 325 Euro erhöhte Bafög-Wohnkostenpauschale spiegelt nicht die Realität des Wohnungsmarkts in Großstädten wider. »Der Hochschulstandort Hamburg wächst. Angesichts der zu erwartenden steigenden Anzahl von Studierenden in der Stadt droht sich die Versorgungslage weiter zu verschlechtern«, gibt die HCU-Professorin Monika Grubbauer zu bedenken und sieht hier »Diskussionsbedarf«.

Wenig tröstlich: Noch schlimmer als in Hamburg ist die Situation in München, wo Otto Normalstudent im Durchschnitt deutlich mehr als 600 Euro für seine »Bude« zahlt.

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