Verdammt guter Stoff

Aus der dunklen Ecke: Die Serie »Star Wars The Mandalorian« fragt: Was passiert danach?

  • Fabian Hillebrand
  • Lesedauer: 5 Min.

Um einen Junkie zu erschaffen, fixt man ihn zunächst mit gutem Stoff an - und wenn er dann süchtig geworden ist, kann man ihm schließlich jeden schlechten Dreck verkaufen. Diese Dealerweisheit haben die Macher der »Star Wars«-Filme anscheinend bei der Produktion beherzigt: Die ersten drei Filme sind cineastische Meisterwerke. Die Vorgeschichte der Sternenkrieg-Saga wird zwar teilweise schon etwas dröge, aber die stundenlangen, wenn auch einfallslosen Dialoge dienen immerhin noch der Charakterentwicklung - die in der Bösewerdung des Helden Anakin Skywalker Vollendung findet: Als einer, der aufgrund seiner problematischen Art und Weise, am Guten zu hängen, keine andere Wahl zu haben scheint, als alles zu zerstören. Das ist immerhin eine These. Die drei »Star Wars«-Filme danach sind nur eine fade Aneinanderreihung von »Boom«, »Zack« und »Bäm«. Kaum jemand wird sich in zwei Jahren noch an die Namen der Helden erinnern. Und jetzt kommt wieder ein neuer Ableger des Franchise. Aber: diesmal ist es verdammt guter Stoff.

Die neue Serie »Star Wars: The Mandalorian« erzählt episodisch die Reise eines jungen Kopfgeldjägers. Der Film spielt zwischen der ganz alten und der ganz jungen Trilogie und somit nach dem Sturz des faschistischen Imperiums. Diese faschistische Ordnung, die über ein galaktisches demokratisches Parlament an die Macht gekommen ist (von wegen »far far away« ...), ist gerade von den Rebellen gestürzt worden. Diese alte Welt liegt im Sterben und die neue ist noch nicht geboren: Es ist die Zeit der Kopfgeldjäger, Hasardeure und Gangster.

Der lakonische Held ist ein Mann von vorgestern; folgerichtig wird ihm schon in der ersten Folge durch einen Killerroboter die drohende Automatisierung seiner Arbeit gespiegelt. In John-Wayne-Manier marschiert dieser Held, gekleidet im Stil des ikonischen Jango Fett, trotzdem trotzig weiter über verschiedene Wüstenplaneten und demonstriert, was der Krieg der Sterne eigentlich schon immer war: Ein Spacewestern. Es passieren ein Haufen Dinge, der Kopfgeldjäger nimmt einen Auftrag an, verprügelt ein paar Schurken und das Ganze vor den altbekannten Kulissen: Die Eröffnungsszene in einer Kantine ist reiner Kundenservice für »Star Wars«-Süchtige. Ein unerwarteter Begleiter ändert dann die Motivationen des Schurken und gibt seinem Handeln eine neue Richtung.

Ganz schön erwartbar alles - aber gerade deshalb ist die neue Serie so großartig. Während im letzten großen Film »Der Aufstieg Skywalkers« noch mit Lichtblitzen ganze Raumschiffflotillen lahmgelegt wurden, kehrt »The Mandalorian« zum Anfang der Filme zurück. Die Macht - eine Art Magie, die sowohl die Bösen als auch die Guten für sich zu nutzen wissen - wurde mit jedem Film mehr und mehr verwissenschaftlicht. In den ersten Reihen erscheint sie als religiöser Kult, deren Anhänger Schamanen oder Priestern ähneln. In den späteren Filmen ist die Macht zu einer messbaren Größe geworden: »Midi-Chlorianer sind eine mikroskopisch kleine Lebensform, die sich in allen lebenden Zellen befindet«, erklärt Jedimeister Qui-Gon Jinn - und je höher der Wert der Midi-Chlorianer im Blut, desto höher auch die Wahrscheinlichkeit, die Macht zu spüren und diese zu nutzen.

Es scheint, als entmystifizierten die Macher von »Star Wars« mit diesem Konzept die Macht ihrer Helden. Denn während im Film barfüßige Hippie-Außenseiter gegen riesige Faschoarmeen kämpfen, ist die Situation im realen US-Amerika eine ganz andere. Man müsste den Plot umdrehen, um ihn an die wirklichen Verhältnisse anzupassen: Palpatine und Darth Vader erscheinen dann als moderne und visionäre Führer, konservative Erneuerer, die Jedis dagegen führen eine feudalistische und technikfeindliche Revolution an und hängen einem vergangenen Kult nach.

Das Interessante an »Star Wars« ist seit jeher, dass die Bösewichte keine dekadenten Herrscherfiguren sind, die sich mit der kulminierten Macht Menschen und Luxus zu eigen machen. Im Gegenteil: Was Jedis und Sith - eigentlich kosmische Gegenspieler - schon immer einte, ist ihr Wille zu verzichten. Beide Gruppen sind ziemlich lustfeindlich: Sie führen Krieg aus höheren Motiven.

Die Serie führt uns nun in das Danach dieser epischen Auseinandersetzung und beleuchtet jene dunkle Ecke, die sonst in Hollywood-Epen ausgespart wird: Was passiert eigentlich mit den tausenden Orks und Menschen, die Sauron in »Der Herr der Ringe« angehangen haben, nach der Vernichtung des Ringes? Wie geht die magische Gesellschaft in »Harry Potter« damit um, dass es zwar nur einige wenige mordende Todesser gab, aber auch noch weniger Widerstandskämpfer und dafür ein Großteil von Menschen, der angesichts des Abschlachtens einer wehrlosen Gruppe einfach die Klappe gehalten hat?

Die Welt nach dem Aufeinandertreffen von Gut und Böse ist in »The Mandalorian« ein großer Trümmerhaufen. Das Wissen über die Macht scheint weitgehend verloren, sie ist wieder zu ihrem mystischen Ursprung gelangt. Die Zivilisation ist zusammengebrochen und gerade in der Peripherie hält sich die alte faschistische Ordnung im Handeln und Denken der Menschen. Das Verhalten und die Gedankengänge des namen- und gesichtslosen Helden allerdings ist vor allem durch das traumatische Erleben des Krieges und die posttraumatische Verarbeitung seiner Folgen geprägt - und scheinen eher aus einem reinen Selbsterhaltungstrieb hervorzugehen. Die großen Helden der »Star Wars«-Epen definierten sich bisher stets durch ihren Konflikt mit dem Bösen: Sie trugen es in sich und überwinden es am Ende. Solch höhere Auseinandersetzung gibt es für den Mandalorianer aber nicht. Er schlägt sich durch. Und es macht verdammt viel Spaß, ihm dabei zuzuschauen.

»Star Wars: The Mandalorian« auf Disney Plus und ProSieben.

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