Neue Flugzeuge für neue Bomben

Die USA und andere Nato-Staaten haben einen neuen nuklearen Rüstungswettlauf gestartet

  • René Heilig
  • Lesedauer: 4 Min.

Ehemalige und aktive US-Bomberbefehlshaber sind auf Angriffskurs. Im Visier haben sie den US-Kongress. Sie wollen, dass die Air Force mehr Aufmerksamkeit und damit auch mehr Geld bekommt. Die Anzahl der verfügbaren strategischen Bomber sei, so General John Michael Loh, einst Vizestabschef der Air Force, »auf dem niedrigsten Stand aller Zeiten«. Obwohl die Nachfrage nach solchen Flugzeugen steigt. Loh verweist auf die indopazifische Region, wo Bomber wegen ihrer großen Reichweite und ihrer enormen Nutzlastkapazität das bevorzugte Waffensystem sind.

Konkreter wird der für Planung zuständige Luftwaffen-Stabschef, Generalleutnant David Nahom. Er spricht von »Großmachtkonkurrenz« und davon, dass man sich besser vorbereiten müsse auf einen Konflikt mit China oder Russland. Auch Nordkorea und Iran spielen in der US-Bomberplanung eine Rolle. Nahoms Konzept: Man müsse die B-2-Stealth-Maschinen so lange fliegen, bis der ebenfalls für Radar schwer auszumachende Nachfolger B-21 ausgeliefert und für den Nukleareinsatz zertifiziert ist. Was, so schätzt er, wahrscheinlich noch ein Jahrzehnt dauern werde. Bis dahin brauche man eben auch die B-1-Bomber. Die einsatzbereit zu halten, sei nicht ganz so einfach, weil die Luftwaffe sie in den letzten Jahren »so hart geflogen habe«.

Mit dem Hinweis auf russische Modernisierungen im strategischen Bereich flüstert die US-Luftwaffenführung dem rüstungsfreudigen Präsidenten Donald Trump ins Ohr, dass man 200 Bomber benötigt. Doch gerade hat man ein neues Weltraumkommando gegründet, der US-Marine effektivere U-Boot-Raketen versprochen. Zudem eröffnet Trumps Kündigung des INF-Vertrages im vergangenen Jahr Möglichkeiten zum Bau neuer atomarer Mittelstreckenwaffen. Da jedoch Geld nicht auf Bäumen wächst und die Coronakrise zu ernsten finanziellen Engpässen führen wird, will der US-Kongress die Entscheidung wohl abwägen.

Anfang der 1990er Jahre, als der Kalte Krieg endete und die USA lieber in der Golfregion Tod vom Himmel warfen, verfügten die USA noch über mehr als 400 Bomber. Nach den aktuell vorgeschlagenen Kürzungen wird es - einschließlich der immer wieder modernisierten B-52-Veteranen - 140 geben. Was noch immer eine gewaltige Gefahr ist, wenn man bedenkt, dass so eine B-52 jeweils acht sogenannte Freifallbomben oder bis zu 20 Marschflugkörper an Bord nehmen kann. Jeder der Gefechtsköpfe würde die Wirkung der Hiroshima-Bombe vielfach übertreffen.

Doch es kommt nicht nur auf die Sprengkraft an. Entgegen dem Willen einer breiten Mehrheit und dem Willen des Bundestages, lagern die USA in Deutschland noch immer taktische Atombomben vom Typ B-61. Als Transporteure sind Piloten des Jagdbombengeschwaders 33 in Büchel vorgesehen und ausgebildet. Das ist Teil der »nuklearen Teilhabe«, mit der die Nato suggeriert, sie hätte »etwas zu melden« bei der Ziel- und Einsatzplanung der US-Massenvernichtungsmittel. Die B-61 existiert in großer Stückzahl. Ab Januar 1968 wurden etwa 3150 gebaut und noch heute sind etwa 300 im aktiven Bestand der US-Streitkräfte. Davon lagern in Europa vermutlich 150, etwa 20 nahe dem Fliegerhorst Büchel. Weitere B-61 liegen als reaktivierbare Reserve in den USA bereit.

Die Militärs dringen schon lange auf Modernisierung. Obwohl sich die für dieses Jahr avisierte Auslieferung verzögert, planen sie bereits mit Bomben vom Typ B-61-12. Deren Sprengkraft ist noch besser dosierbar, sie sind lenkbar - kurzum: Sie führen dazu, dass die Hemmschwelle zum Einsatz geringer wird. Was problematisch ist, gerade jetzt, da sich das Verhältnis zwischen der Nato und Russland wieder verschlechtert und zwischen Stäben beider Seiten nicht einmal ein »rotes Telefon« existiert, um Irrtümer zu vermeiden.

Mit den Bomben werden auch die Trägermittel »intelligenter«. So beschaffen mehrere, in die nukleare Teilhabe eingebundene Nato-Staaten F-35-Jets aus den USA. Der Typ war anfangs auch für die Deutsche Luftwaffe eine Option. Doch man entschloss sich, eine Updateversion des »Eurofighters« sowie ein Modell des US-Herstellers Boeing in die engere Wahl zu ziehen. Nun wird es wohl - weil so auch eine Modernisierung konventioneller Geschwader möglich ist - ein Mix. Die überalterte und in der Instandhaltung teure »Tornado«-Flotte der Bundeswehr soll von 2025 an durch bis zu 90 zusätzliche »Eurofighter« sowie 45 F-18-Jets abgelöst werden. Der Vorteil des US-Modells: Es ist bereits in einer früheren Version für den Einsatz von Atomwaffen zertifiziert und in der Lage, durch seine elektronischen Störeinrichtungen angreifenden Bombern den Weg zum Ziel frei zu halten.

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