Verschollen
Personalie
Der ewige Zweite ist verschollen: Soumaïla Cissé, der drei Mal bei Präsidentschaftswahlen in Mali als erster Verlierer durchs Ziel ging, wurde drei Tage vor den Parlamentswahlen am 29. März in Timbuktu in seiner Heimatregion von Dschihadisten entführt. Sein Sohn Bocar Cissé wandte sich diese Woche aus dem ivorischen Exil an die Öffentlichkeit: »Sie sagen, dass sie verhandeln, aber wenn wir sie um mehr Informationen bitten, sagen sie uns nichts.« Im Namen der Familie fügte der 40-Jährige hinzu: »Wir wissen nichts, wir wissen nicht, ob er tot oder lebendig ist.«
Sie, das ist die malische Regierung unter Präsident Ibrahim Boubacar Keita, dem Cissé 2018 in der Stichwahl unterlegen war. Eine Wahl in einem Land, das seit dem fehlgeschlagenen Militärputsch im März 2012 und dem anschließenden Sezessionsversuch des Nordens nicht mehr zur Stabilität zurückgekehrt ist. Trotz oder wegen der von Frankreich geführten militärischen Intervention unter Beteiligung der Bundeswehr haben im Norden und im Zentrum Malis schwere Massaker mit Dutzenden Toten seit dem vergangenen Jahr sogar wieder zugenommen. Über 2000 Menschen starben.
Aus dem Norden stammt Cissé und im Norden wurde der Chef der Union für Republik und Demokratie (URD) entführt. Er war auf Wahlkampftour in seinem Wahlbezirk Niafunké, wo er 1949 geboren wurde, als die islamistischen Terroristen zuschlugen, einen seiner Leibwächter töteten und Cissé in ihre Gewalt brachten. Zwei der mit ihm entführten Personen wurden inzwischen freigelassen. Auch sie wissen aber nichts über das Schicksal des einstigen Finanzministers.
Laut der Regierung soll Cissés Freilassung Imam Mahmoud Dicko verhandeln, der derzeit wohl einflussreichste religiöse Meinungsführer im Land. Über den Stand der Verhandlungen hüllt sich die Regierung in Stillschweigen. Der Verhandlungspartner ist bekannt: Dschihadistenführer Amadou Koufa, dessen Namen ein freigelassenes Mitglied von Cissés Team öffentlich machte. Von Koufa hängt es ab, ob Bocar Cissés Befürchtung zutrifft: »Alle vermissen ihn; wir sind alle verloren.«
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