Die Corona-Rebellion ist vorbei

Die wahnhaften Demonstrationen gegen die Pandemie-Beschränkungen sind vorbei. Ein Abgesang.

Es war noch eine der größeren Demonstrationen der selbsternannten »Coronarebellen«, die am Samstag auf dem Düsseldorfer Burgplatz stattgefunden hat. Etwa 400 Menschen waren gekommen, lauschten einem rappenden Reichsbürger, einer Schlagersängerin, die bekannte Songs umtextete und verschiedenen Redebeiträgen. Ein »Patriot« erklärte rechts sein käme von Recht haben. Jemand anders erläuterte, Corona sei dort besonders ausgebreitet, wo es viele Masten der neuen Mobilfunktechnik 5G gibt. Zwischen diesen wirren Reden berauschte sich die Menge an sich selbst. »Widerstand, Widerstand« oder »Freiheit« wurde gerufen. Bundeskanzlerin Angela Merkel soll »weg«, wenn es nach dem Willen der Demonstranten geht. Beim anschließenden Spaziergang sangen die »Coronarebellen« dann vor allem die Wendesongs »Freiheit« von Marius Müller-Westernhagen und »Looking for Freedom« von David Hasselhoff. Ihre eigenen Revolutionslieder scheinen noch nicht eingängig genug zu sein. Antifaschisten, die am Rande des Spaziergangs protestierten, wurden von den »Coronarebellen« mit der Neonazi-Parole »Dumm, dümmer Antifa« begrüßt.

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Apropos Neonazis, in ihrer organisierten Variante fehlten diese beim Protest in Düsseldorf quasi komplett. Dabei war die »Bruderschaft Deutschland« in den letzten Wochen fast immer dabei, wenn in der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt demonstriert wurde. Die »Brüder« pöbelten dabei mehrfach Journalisten und Polizisten an. Allerdings haben organisierte Neonazis oftmals ein gutes Gespür dafür, wie lange es sich lohnt, sich an einer Bewegung zu beteiligen. Das war zum Beispiel beim deutschen Ableger der »Gelbwesten« schon so oder bei den »Pegida«-Ablegern außerhalb Dresdens. Ging die Dynamik der Bewegungen verloren, blieben auch die Neonazis weg. Wie wenig Bewegung noch in den »Coronarebellen« steckt, zeigt ein Blick auf das bundesweite Demonstrationsgeschehen vom Wochenende. In Berlin waren es weniger als 500 Menschen. Auch in Hannover, wo die Demos zwischenzeitlich wirklich groß waren, gingen nur 150 »Rebellen« auf die Straße. Stuttgart, das die größten Mobilisierungen mit mehreren tausend Menschen hatte, fiel am Samstag komplett aus. Im benachbarten Ulm gingen, obwohl mit Anselm Lenz der die »Hygienedemos« vor der Berliner Volksbühne organisiert hatte, sogar ein Stargast angekündigt war, nur 1000 Menschen auf die Straße.

Der Mobilisierungsrückgang bei den »Coronarebellen« hat verschiedene Gründe. Einerseits gibt es allerlei internen Streit. Bei der Partei »Widerstand 2020« etwa sind mehrere Personen in Funktionärsämtern zurückgetreten. Über YouTube, Messengerdienste und Soziale Netzwerke ziehen die Protagonisten nun gegenseitig übereinander her. Bei anderen Gruppen sind es persönliche Eitelkeiten, die zu Streit und Spaltungen geführt haben. Der andere, wichtigere Grund für den Rückgang der Proteste sind die Lockerungen der Corona-Schutzmaßnahmen. Spätestens wenn heute (Montag) weitere Beschränkungen wegfallen, kann eher gefragt werden, was noch verboten ist. Wer Fußball schauen, Essen gehen, schwimmen oder sich mit Freunden treffen kann, der sieht sich kaum noch in einer »Corona-Diktatur«. Da hilft es auch nicht, dass die »Argumente« der »Coronarebellen« immer schriller und abwegiger werden. Die Journalistin Veronika Kracher berichtet etwa davon, dass ein Kundgebungsteilnehmer ihr gegenüber den Mund-Nasen-Schutz als »politische Vergewaltigung« bezeichnet hat.

Dass die Proteste der »Coronarebellen« auf der Straße kleiner werden und sich viele Menschen, die nicht fest im Verschwörungsglauben verhaftet sind, von ihnen abwenden ist ein gutes Zeichen. Dauerhafte Ruhe vor Verschwörungsideologen und ihren Versuchen, massenhafte Straßenproteste zu organisieren, verspricht das allerdings nicht. Viele verschwörungsideologische YouTuber sind auch Geschäftsleute. Sie leben davon, dass ihre Videos geklickt und das Empörungslevel hoch gehalten wird. Auch Fan-Artikel und Bücher verkaufen einige von ihnen. Deswegen werden sie, nachdem sie erkannt haben, dass mit den »Coronarebellen« nichts mehr zu gewinnen ist, neue Möglichkeiten suchen Anhänger zu gewinnen und diese zu gemeinschaftlichen Events mobilisieren.

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