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  • Corona und die Fleischindustrie

Laschet will umstrittene Äußerung zu »Rumänen und Bulgaren« klarstellen

Starker Gegenwind für NRW-Ministerpräsidenten

  • Lesedauer: 4 Min.

Düsseldorf. Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident und potenzieller Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet ist wegen eines Satzes zum Corona-Ausbruch im Schlachtbetrieb Tönnies in die Defensive geraten. Am Donnerstag reagierte der CDU-Politiker auf Kritik an seiner Aussage: »Menschen gleich welcher Herkunft irgendeine Schuld am Virus zu geben, verbietet sich. Mir ist wichtig klarzumachen, dass das für mich wie für die gesamte Landesregierung selbstverständlich ist«, erklärte Laschet, der auch Kandidat für den CDU-Vorsitz ist. Gleichzeitig verortete er die Verantwortung für das Geschehen bei den Unternehmen - und kündigte »substanzielle Verbesserungen bei den Bedingungen insbesondere für Arbeitnehmer aus Bulgarien und Rumänien« an. Ungewöhnlich scharfe Kritik kam am Donnerstag von Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD).

Laschet hatte am Mittwoch auf die Frage, was der Corona-Ausbruch im Schlachtbetrieb Tönnies über die bisherigen Lockerungen aussage, geantwortet: »Das sagt darüber überhaupt nichts aus, weil Rumänen und Bulgaren da eingereist sind und da der Virus herkommt. Das wird überall passieren.« Im nächsten Satz verwies Laschet auf die Unterbringung und Arbeitsbedingungen in Betrieben.

Mehrere SPD-Politiker hatten daraufhin eine Entschuldigung gefordert. Außenminister Heiko Maas (SPD) sprach bei einem Besuch in Bulgarien von einer »unqualifizierten Bemerkung« Dafür gebe es keine sachliche Grundlage. »Es ist höchst gefährlich, über solche Schuldzuweisungen, die in der Sache auch noch absurd sind, Diskussionen, die wir auch in Deutschland haben, zu verstärken und auch zu verschärfen«, sagte Maas. Laschet gieße damit »Öl ins Feuer«, wie es »niemand, der verantwortliche Politik macht, tun darf«.

Auch die bulgarische Außenministerin Ekaterina Zaharieva kritisierte Laschets ursprüngliche Äußerung bei dem Treffen mit Maas scharf. »Ich bin der Meinung, dass dieses Statement wirklich unangemessen war«, sagte sie. Sie sprach in dem Zusammenhang laut offizieller Übersetzung auch von Rassismus, ohne Laschet das aber direkt vorzuwerfen.

SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil bezeichnete es als »unsouverän, dass Herr Laschet als erstes die Bulgaren und die Rumänen, also die Arbeiter, die herkommen, um hier wirklich unter widrigen Umständen in der Fleischindustrie zu arbeiten, dass er die angreift.« Auch er erwarte daher eine Entschuldigung, sagte Klingbeil am Donnerstag bei bild.de. Der SPD-Fraktionschef im NRW-Landtag, Thomas Kutschaty, sagte der Deutschen Presse-Agentur: »Mit diesem Zitat hat sich Armin Laschet die Denke von Tönnies eins zu eins zu Eigen gemacht. Das ist unterste Schublade.«

Die Vize-Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland kritisierte »voreilige Mutmaßungen« der politisch Verantwortlichen mit scharfen Worten - ohne Laschet namentlich zu nennen. Eine »voreilige Spekulation« entbehre jeglicher belastbarer Sachgrundlage, sagte Annette Kurschus laut Mitteilung. Es gehe jetzt um Fragen der Unterbringung und Hygienestandards.

Darauf bezog sich am Donnerstag auch Laschet. »Wir müssen davon ausgehen, dass die Arbeitsbedingungen und die Unterbringung der Menschen dazu beigetragen haben, dass sich das Coronavirus unter den Mitarbeitern des Schlachtbetriebs in Gütersloh derart ausbreiten konnte«, sagte der Ministerpräsident. Mit Bezug auf seine ursprüngliche Aussage zu eingereisten Arbeitern ergänzte er: »Es gibt eine Vielzahl von Risiken für die Verbreitung von Viren, dazu gehören auch die Bedingungen und die Form des Reiseverkehrs innerhalb Europas. Wir wollen ja aber gerade offene Grenzen und einen europäischen Arbeitsmarkt.«

Er betonte: »Menschenunwürdige Arbeitsbedingungen von Beschäftigten sind weder in der Fleischindustrie noch in anderen Branchen hinnehmbar.« Gemeinsam mit der Bundesregierung wolle man »für ganz Deutschland bessere Regelungen schaffen zum Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.« Die Landesregierung tausche sich seit Wochen mit den Vertretern der betroffenen Länder aus, um substanzielle Verbesserungen bei den Bedingungen »insbesondere für Arbeitnehmer aus Bulgarien und Rumänien zu erreichen«. Die tatsächliche Ursache des Ausbruchs bei Tönnies blieb zunächst unklar.

Die Christdemokraten müssen auf einem Parteitag Ende des Jahres die Nachfolge von Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer bestimmen. Neben Laschet bewerben sich der frühere Unions-Fraktionschef Friedrich Merz und der Außenpolitiker Norbert Röttgen.

ZDF-Moderator Jan Böhmermann fasste die Debatte um Laschet unterdessen auf seine Art zusammen. Mit Bezug auf Laschets Avancen als CDU-Bundesvorsitzender twitterte der Satiriker: »Die Bulgaren und die Rumänen sind Schuld, wenn Armin Laschet nicht Bundeskanzler wird.« dpa/nd

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