Ein neuer Fall von Symbolpolitik

Bundesinnenminister verbietet rechtsterroristische Gruppe »Nordadler«

Es sollen nur einige Dutzend Menschen sein, die als Gruppe »Nordadler« miteinander verbunden sind. Doch was sie im Internet verabredeten, ist alles andere als harmlos. Sie tauschten sich - ähnlich wie die von aktiven wie ehemaligen Polizisten und Militärs dominierte Gruppe Nordkreuz - über Wege zum gesellschaftlichen Umsturz und über die »Bestrafung« von Politikern und politischen Gegnern aus.

Am Dienstag hat Bundesinnenminister »Nordadler« verboten. Es ist das dritte Verbot einer militanten rechten Gruppierung in diesem Jahr nach »Combat 18« und der Reichsbürgervereinigung »Geeinte deutsche Völker und Stämme«. Während das Innenministerium den Schritt verkündete, waren rund 130 Polizisten in Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Sachsen und Brandenburg im Einsatz gegen die Gruppierung. Sie durchsuchten von sieben wichtigen Mitgliedern genutzte Objekte. Die in der Vereinigung Aktiven planen laut Ministerium die Wiedererrichtung eines nationalsozialistischen Staates, betrachten Adolf Hitler als Vorbild und kultivieren einen ausgeprägten Hass auf Juden.

Die Beamten stellten unter anderem NS-Literatur, Reichskriegsflaggen und Stahlhelme sicher, wie der Sprecher des Bundesinnenministeriums, Steve Alter, mitteilte. Waffen und Sprengstoff seien nicht gefunden worden, jedoch ein Baseballschläger. Die Polizisten hätten Computer, Laptops und Handys beschlagnahmt. Es habe weder Festnahmen noch Zwischenfälle gegeben, sagte Alter. »Die Betroffenen zeigten sich überwiegend kooperativ«, betonte er.

Minister Seehofer sagte in Berlin, es mache für ein Verbot keinen Unterschied, ob eine Gruppe im »realen Leben« auftrete oder vor allem im Internet aktiv sei. »Rechtsextremistische Vereine brauchen heute keinen Stammtisch, keinen Kassenwart und keine Satzung mehr, um ihre Ziele zu verfolgen«, erklärte er.

Laut Ministerium orientiert sich »Nordadler« organisatorisch an der SS, nutzt Nazisymbole und -sprache. Charakteristisch sei eine »kämpferisch-aggressive Grundhaltung«. Der Anführer habe sich als »Nationalsozialist« bezeichnet und in einer öffentlichen Telegram-Gruppe den Anschlag auf die Synagoge von Halle am 9. Oktober 2019 bejubelt. Als ersten Schritt hin zu einem neuen »NS-Staat« habe die Gruppe die Umsetzung eines »nationalsozialistischen Siedlungsprojekts« auf dem Land geplant.

Für ihre Propaganda nutzte die Gruppe offene und geschlossene Chats auf Plattformen wie Telegram, Instagram und Discord sowie eine eigene Webseite, »um gezielt jüngere Menschen anzuwerben und zu indoktrinieren«, erklärte das Innenministerium. Die Internetpräsenzen wechselten häufig. Die Gruppierung nutze auch Namen wie »Völkische Revolution«, »Völkische Jugend«, »Völkische Gemeinschaft« und »Völkische Renaissance«.

Nach Ansicht der Linke-Politikerin Katharina König-Preuss kommt das Verbot zu spät. Die von Mitgliedern der Gruppe betriebene NS-Verherrlichung sei seit zwei Jahren bekannt, sagte sie am Dienstag in Erfurt. Zudem zeigte sich die Sprecherin für Antifaschismus der Linksfraktion im Thüringer Landtag verwundert, dass ein bekanntes Objekt der Neonazitruppe im thüringischen Mackenrode am Dienstag nicht durchsucht wurde. Dort habe »Nordadler« seit 2018 über ein eigenes Objekt mit Grundstück und Wohnhaus verfügt. Dieses sollte auch für das völkische Siedlungsprojekt der Gruppe genutzt werden, so König-Preuss. Nach ihren Angaben sind etliche Mitglieder der Gruppe nach Mackenrode oder in die unmittelbare Umgebung des Ortes sowie nach Niedersachsen gezogen.

Die sächsische Linke-Politikerin Kerstin Köditz kritisierte, das Innenministerium des Freistaates habe am Dienstag erstmals über die Präsenz der Gruppe in Sachsen informiert. »Die Gefahr des Rechtsterrorismus bekämpft man nicht, indem man sie verschweigt«, mahnte Köditz. Es hatte auch in Dresden und Pirna Razzien bei zwei Mitgliedern gegeben.

Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) erwähnte die Gruppe Nordadler bereits in seinem Bericht für das Jahr 2018 mit Verweis auf ein laufendes Ermittlungsverfahren des Generalbundesanwalts wegen des Verdachts auf Bildung einer kriminellen - nicht etwa einer terroristischen - Vereinigung. Im April und November 2018 wurden laut BfV Wohnungen von Mitgliedern in Bremen, Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Thüringen durchsucht. Dabei wurden unter anderem Waffen, Feuerwerkskörper und Militaria beschlagnahmt. Schon im April 2018 hatte sich führende Nordkreuz-Mitglied Wladislav S. im ARD-Magazin »Panorama« zu den Vorwürfen der Bundesanwaltschaft geäußert.

In einer Analyse des BfV vom September 2019 heißt es, die Nordadler-Mitglieder hätten sich im Internet mutmaßlich »über die Beschaffung von militärischen Ausrüstungsgegenständen und Waffen sowie über die Herstellung von Sprengkörpern ausgetauscht«. Weiter schreibt der Inlandsgeheimdienst, sie würden auch verdächtigt, »Personenlisten über politisch Verantwortliche sowie politische Gegner angelegt zu haben, um diese im Falle eines Staatszusammenbruchs zur Rechenschaft zu ziehen«.

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