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Unionspolitiker werden in der Haushaltsdebatte zu Gesundbetern
Im Bundestag lobten Kanzler und andere ihre ersten Errungenschaften und erkennen gute »Stimmung« bei Bürgern
Die Darstellungen des CSU-Abgeordneten Alexander Hofmann waren symptomatisch für den Blick der Union auf die Realität. »Die Stimmung hellt sich merklich auf, der Optimismus kehrt zurück, die Menschen spüren, dass sich etwas ändert«, sagte er am Mittwoch in der Generaldebatte zum Bundeshaushalt für das laufende Jahr, der erst nach der Sommerpause verabschiedet wird. Ähnlich hatte sich tags zuvor Philipp Amthor (CDU) in einem Instagram-Video geäußert, mit Drink und im Poloshirt an einer Strandpromenade sitzend. Der Staatssekretär im neuen Bundesministerium für Digitales und Staatsmodernisierung erklärt dem erstaunten Publikum, dass die Stimmung prima sei, merke man »auch im Ausland, denn dank der CDU-geführten Bundesregierung hat Deutschland internationales Ansehen zurückgewonnen«.
Genau das behauptete auch der Bundeskanzler in seiner Rede am Mittwochmorgen im Parlament. Friedrich Merz stellte erste Erfolge seiner seit dem 6. Mai amtierenden Regierung in der Wirtschafts-, vor allem aber in der Asylpolitik heraus. Er räumte gleichwohl ein, dass noch viel zu tun sei und dass er weiter bestehende Sorgen der Bürger*innen sehe. Diese werde seine Regierung angehen, um »Mut und Zuversicht« zu schaffen.
Zuvor musste er eine Tirade von Alice Weidel über sich ergehen lassen. Als Chefin der größten Oppositionsfraktion hatte die AfD-Fraktionsvorsitzende ein Anrecht auf die erste Rede. »Sie sind ein Papierkanzler, der im Ausland Weltmacht spielt, sich aber zu Hause nach Lust und Laune vom Wahlverlierer SPD vorführen lässt«, rief sie Merz zu. Die Regierung plane eine »Schuldenorgie, wie sie diese Republik noch nicht gesehen hat«, Merz sei ein »Lügenkanzler«, denn vor der Bundestagswahl, so Weidel, habe der CDU-Chef eine Reduzierung der Staatsausgaben versprochen. Eine »Migrationswende« gebe es derweil nicht, meinte die extrem rechte Politikerin, sondern nur Maßnahmen in »homöopathischen« Dosen.
Merz wies Weidels »Halbwahrheiten, üble Nachrede und persönliche Herabsetzungen« zurück und erklärte, die Verschuldung sei insbesondere zur »Stärkung der Bundeswehr« und der Nato nötig, ansonsten würde es letztere in ihrem 70. Jahr gar nicht mehr geben. Kredite würden aber auch gebraucht, um die Wirtschaft aus der Konjunkturflaute zu holen. Mit all dem sichere man »ein Leben in Sicherheit und Freiheit in Deutschland« und habe eine »Wende in unserer Wirtschaftspolitik eingeleitet«.
Die Grünen kritisierten insbesondere die weitgehende Tatenlosigkeit der schwarz-roten Koalition beim Klimaschutz. Ihr diesbezüglicher Kurs sei eine »Bankrotterklärung«, sagte Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge. Stattdessen ermögliche sie Subventionen für fossiles Gas aus dem Klima- und Transformationsfonds (KTF) und unterstütze neue Gasbohrungen vor Borkum.
»Während Sie für Panzer Hunderte Milliarden zur Verfügung haben, gibt es lächerliche vier Milliarden, umgerechnet einmal Jens Spahn, für den sozialen Wohnungsbau.«
Ines Schwerdtner Linke-Vorsitzende
Alle Oppositionsparteien rügten den vorläufigen Verzicht auf eine Absenkung der Stromsteuer auch für Privathaushalte. Merz verwies seinerseits auf die Senkung von Energiekosten in anderen Bereichen auch für Privathaushalte. »Von den möglichen 200 Euro pro Familie und Jahr (…) machen wir jetzt 150 Euro im Jahr möglich«, betonte er. Dies seien bereits »drei Viertel von dem, was wir uns vorgenommen haben«.
Unionsfraktionschef Jens Spahn (CDU) mahnte, die Regierung müsse auch »konsolidieren und sparen«. Sonst sei »die enorme zusätzliche Verschuldung von 850 Milliarden Euro bis zum Ende des Jahrzehnts« angesichts von Zins- und Tilgungsverplichtungen nicht tragbar. Auch SPD-Fraktionschef Matthias Miersch forderte Haushaltsdisziplin. Im Etat gebe es nach wie vor »ein riesiges Problem, und deswegen müssen wir auch Diskussionen um das Sparen führen«.
Merz kündigte eine baldige und »umfassende« Reform des Bürgergelds an, bei dem die Union auf Einsparungen in Milliardenhöhe hofft. Dabei rechnen selbst die Regierungsparteien nur mit weniger Ausgaben in zweistelliger Millionenhöhe durch die zusätzlichen Verschärfungen der Sanktionen gegen Bürgergeldbeziehende.
Der Ukraine sicherte Merz derweil weitere umfängliche Unterstützung vor allem mit Waffen zu. In der Außen- und Sicherheitspolitik habe Deutschland in EU und Nato »Führungsverantwortung« übernommen, betonte er. Zu Forderungen nach mehr Verhandlungen zur Beendigung des Ukraine-Kriegs erklärte der Kanzler: »Die Mittel der Diplomatie sind ausgeschöpft.« Russlands Präsident Wladimir Putin sei nicht gesprächsbereit. Dieser Kurs zeigt sich im Kernetat des Verteidigungsministeriums, der gegenüber 2024 um 10,5 Milliarden auf 62,4 Milliarden Euro steigen wird.
Linke-Fraktionschefin Heidi Reichinnek und ihre Bundesvorsitzende Ines Schwerdtner sprachen angesichts dessen von einer »Politik der sozialen Kälte« »Sie organisieren Steuergeschenke für Ihre Freunde in teuren Anzügen und schieben gleichzeitig der Rüstungslobby Milliarden zu«, sagte Schwerdtner. Auf der anderen Seite mache die Regierung »das Leben von Menschen, die ohnehin in einer Notlage sind, noch schwerer«. Man trete nach »unten, um ein paar Milliarden zusammenzukratzen, die ihr Fraktionsvorsitzender mal eben in wenigen Wochen verprasst, weil diese CDU arbeitende und arme Menschen verachtet«, sagte die Politikerin mit Blick auf die der Staatskasse durch die Maskenbeschaffung von Ex-Gesundheitsminister Jens Spahn entstandenen Verluste in Milliardenhöhe.
Schwerdtner verwies darauf, dass eine Vermögensteuer, die die Regierung nicht einführen wolle, dem Bund jährlich bis zu 120 Milliarden Euro einbringen könnte. »Das ist das 27-Fache der Kürzungen beim Bürgergeld, die Sie planen«, rechnete sie vor und konstatierte: »Während Sie für Panzer Hunderte Milliarden zur Verfügung haben, gibt es lächerliche vier Milliarden, umgerechnet einmal Jens Spahn, für den sozialen Wohnungsbau.« Dabei beginne echte Sicherheit »mit einem Dach über dem Kopf«.
»Wenn sich Krisen etwa in Afrika zuspitzten, führt dies zu weiteren Migrationsbewegungen. Deutschland ist gefordert, die Wurzeln dieser Flüchtlingsbewegung zu bekämpfen. Es ist deshalb in unserem ureigenen Interesse, wenn wir uns dort engagieren.«
Johann Wadephul Bundesaußenminister
Die viertägige Haushaltsdebatte hatte am Dienstag mit der Einbringung des Etatentwurfs 2025 durch Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) in den Bundestag begonnen. Geplant sind deutlich mehr Investitionen, die vor allem durch wesentlich höhere Schulden finanziert werden sollen. Die Bundesregierung plant in diesem Jahr Ausgaben in Höhe von 503 Milliarden Euro. Das sind 6,1 Prozent mehr als 2024. Davon sollen 81,8 Milliarden Euro im Kernhaushalt aus Krediten finanziert werden, mehr als doppelt so viel wie im vergangenen Jahr. Dazu kommen mehr als 60 Milliarden Euro aus schuldenfinanzierten Sondertöpfen.
Gekürzt wird derweil nicht nur beim Bürgergeld und Eingliederungshilfen, sondern auch in Bereichen, die etwa Außenminister Johann Wadephul (CDU) in seiner Rede als extrem wichtig für die internationale und deutsche Sicherheit darstellte. Der Etat für das Auswärtige Amt für dieses Jahr umfasst 5,96 Milliarden Euro nach 6,71 Milliarden Euro 2024. Für die Sicherung von Frieden und Stabilität soll Wadephuls Ministerium 2,56 Milliarden Euro ausgeben können und damit fast eine Milliarde Euro weniger als im Vorjahr. Noch deutlicher fallen die Kürzungen bei der humanitären Hilfe und der Krisenprävention aus. Das Budget soll hier auf 1,43 Milliarden Euro mehr als halbiert werden. Auch der Entwicklungshilfeetat wird erneut um fast eine Milliarde auf 10,3 Milliarden Euro gekürzt. Alle genannten Einzelhaushalte waren unter der Ampel-Koalition bereits in den vergangenen beiden Jahren drastisch geschrumpft.
Minister Wadephul forderte gleichwohl mehr deutsches Engagement in den Krisenregionen der Welt, insbesondere als Konsequenz aus dem Ende der US-Entwicklungsbehörde USAID. Angesichts von Zahl, Umfang, Tiefe und Schärfe der Krisen sei Deutschland »unter humanitären Gesichtspunkten gefordert, uns in diesen Regionen deutlicher zu engagieren, als wir das bisher tun«, sagte der CDU-Politiker. Wenn sich die Krisen etwa in Afrika zuspitzten, werde dies zu weiteren Migrationsbewegungen führen. Deutschland sei gefordert, »die Wurzeln dieser Flüchtlingsbewegung zu bekämpfen«, sagte der Minister. Deshalb seie es »in unserem ureigenen Interesse, wenn wir uns dort engagieren«.
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