Weltweite Mission für die Fußballerinnen

Die Fifa vergibt die nächste WM der Frauen. Japan ist nicht mehr dabei, die Popularität ist dort schon groß genug

  • Felix Lill
  • Lesedauer: 4 Min.

In Japan hat man sich zum Schluss chancenlos gefühlt. »Wir haben einige Wochen darüber nachgedacht«, sagte Kozo Tashima Präsident des nationales Fußballverbandes, »aber angesichts aller Umstände war dies die beste Entscheidung.« Japan hat am Montag, drei Tage vor der Vergabe der WM der Frauen 2023, seine Bewerbung zurückgezogen. Einerseits sei da die Pandemie gewesen, weshalb man sich nicht auf die Kampagnenarbeit konzentrieren konnte. Andererseits sei es durch die Verschiebung der Olympischen Spiele unwahrscheinlicher geworden, dass man die Fifa noch hätte überzeugen können. So ist die Vergabe quasi vorab bereits entschieden: Die erste WM mit 32 Teams wird wohl in Australien und Neuseeland stattfinden.

Dass sich Japan gegen die Bewerbung aus Ozeanien zuletzt chancenlos fühlte, kann durchaus als Beweis eines weltweiten Fortschritts im Fußball der Frauen gelten. Das ostasiatische Land gehört nämlich nicht nur in Sachen Stadioninfrastruktur zu den führenden Nationen der Welt. Vor allem auf die immer wieder gestellte Frage, ob Fußball eher ein Männersport sei, findet man in Japan eine deutliche Antwort: Nein, Fußball hat kein Geschlecht. Alle spielen ihn, alle gucken ihn.

Es war nicht zuletzt dieser Pluspunkt, den Japans Bewerbung gegenüber jenen von Brasilien, Kolumbien sowie Australien und Neuseeland auszeichnete. Vor rund zwei Wochen vergab die Fifa dann ihre Noten für die Konzepte. Japan lag mit seinen 3,9 von fünf möglichen Punkten zwar deutlich vor Kolumbien und Brasilien, das sich schon kurz danach aus dem Bewerbungsrennen zurückzog. Aber Australien und Neuseeland erhielten vom Weltverband mit 4,1 Punkten eine noch bessere Note.

Die nächsten drei Jahre betrachtet der Weltverband als Schlüsselphase, um den Fußball der Frauen international populärer zu machen. Es spricht wohl für die Entwicklung des Sports, wenn es für dessen weitere Verbreitung eine noch bessere Wahl gibt als Japan. Denn dort begegnet man den Fußballerinnen nicht nur abends in der Kneipe, wenn gerade ein Länderspiel übertragen wird. In den unzähligen »convini« genannten Kleinsupermärkten prangen die Spielerinnen als Werbefiguren an der Kasse. Mit einer WM in Japan hätte die Welt Bilder aus einem Land gesehen, in dem der Sport längst populär ist.

»Nadeshiko Japan« nennt sich das Team, wobei sich das Wort »nadeshiko« auf das traditionelle Frauenideal bezieht: anmutig, gut gekleidet, dezent. Dabei ist man sich einig, dass die Erfolge der Fußballerinnen dem Begriff »Nadeshiko« einen moderneren Klang verpasst haben. Denn als die Japanerinnen bei der WM 2011 in Deutschland überraschend Weltmeisterinnen wurden, staunte das Publikum nicht nur über ihren ruhigen und technisch versierten Stil, sondern auch über ihre kämpferische Härte.

»Schon während der WM 2011 kam die Fifa gezielt auf Japan zu, weil das Land als Beispiel fungieren sollte, wie man den Frauenfußball organisiert«, sagt Christian Tagsold - heute Japanologieprofessor an der Uni Düsseldorf, zuvor auch organisatorischer Betreuer der japanischen Frauenauswahl. »Japan galt ganz klar als best practice. Der Trainingsbetrieb war gut, aber die Fifa interessiert immer auch der Markt. Und der Sport galt dort auch als besonders gut vermarktet.«

Zwar genießen die männlichen Fußballer mehr mediale Aufmerksamkeit und höhere Budgets. Aber auch der Fußball der Männer ist in Japan überdurchschnittlich weiblich. »Die Fanbasis besteht zu großen Teilen aus Frauen«, meint Tagsold. »Fußball spielen und Fußball gucken ist für Frauen in Japan überhaupt nichts Besonderes«, sagt Natsuki Ganaha, eine 27-jährige Universitätsangestellte und Hobbyfußballerin. Als Japan Anfang der 1990er Jahre die Männer-Profiliga J-League ins Leben rief, waren die meisten Männer an Baseball interessiert, weshalb man in Werbekampagnen insbesondere die Frauen des Landes ansprach.

Bis heute finden sich viele Frauen in den Stadien, wenn Männer Fußball spielen. Und seit die »Nadeshiko« 2011 als bislang einziges japanisches Nationalteam eine Fußball-WM gewann, sind auch an Sport kaum interessierte Personen zumindest grundsätzlich über Japans Fußballerinnen informiert. So wurde in den Medien zuletzt groß besprochen, dass nun eine neue Profiliga der Frauen starten wird. Indem die WM jetzt wohl nach Australien und Neuseeland geht, scheint klar: Für Japan hält man die Mission der Fifa, den Fußball der Frauen populärer zu machen, für weitgehend erfüllt.

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