Alte Helden runter vom Sockel

ISD und Peng! Kollektiv starten eine Übersichtskarte zu Kolonialrassismus im öffentlichem Raum

  • Ulrike Wagener
  • Lesedauer: 3 Min.

M*kopfweg, Lüderitzstraße, Kolonialstein – das sind nur einige Beispiele für Ortsbezeichnungen in Deutschland, die sich positiv und völlig unkritisch auf die deutsche Kolonialvergangenheit beziehen. Seit Jahren fordern verschiedene postkoloniale Gruppen, koloniale Spuren im öffentlichen Raum aufzuarbeiten.

Am Donnerstag haben das Peng!-Kollektiv und die Initiative Schwarzer Menschen (ISD) in Deutschland gemeinsam eine Karte veröffentlicht, in der Denkmäler und Straßennamen, die Kolonialverbrecher ehren oder sich positiv auf die Kolonialgeschichte beziehen, zusammengetragen werden.

»Wir wollen mit dieser Karte bewusst machen, wie präsent koloniale Spuren im öffentlichen Raum sind und wie viele Ehrungen, die durch Denkmäler und die Namensgebung von Straßen vorgenommen wurden, Personen gewidmet sind, die ihren Ruhm durch Ausbeutung, koloniale Landname und Verbrechen gegen die Menschlichkeit erlangten«, erklärt Simone Dede Ayivi von ISD gegenüber »nd«.

Das partizipative Projekt solle die Menschen dazu einladen, mit offenen Augen durch die Stadt zu gehen: »Wer war eigentlich der Typ, nach dem meine Straße benannt ist?«

Damit wollen sie aber keineswegs erreichen, dass die Grausamkeit des deutschen Kolonialismus aus dem Stadtbild verschwindet. Das ist etwas, was immer wieder als Argument gegen Straßenumbenennungen vorgebracht wird: die Sorge, dies werde erst recht Geschichtsvergessenheit hervorrufen. Simone Dede Ayivi sagt: »Die alten Helden sollen runter vom Sockel.«

Laut Aktivistin sollen sie Platz machen für eine Darstellung des antikolonialen Widerstands und des Kampfs gegen Rassismus. Als Beispiel für eine geglückte Umbenennung führt sie das ehemalige Kreuzberger Gröbenufer auf, das nun an die afrodeutsche Aktivistin May-Ayim erinnert. Doch immer wieder treffen Umbennungsbestrebungen auf Widerstand seitens der Anwohner*innen.

In Berlin-Wedding, so wurde es im Senat beschlossen, soll von nun an, statt die Kolonialisten Carl Peters, Gustav Nachtigal und Adolf Lüderitz zu ehren, an den Maji-Maji-Widerstand in Tansania, den kamerunischen Widerstandskämpfer Manga Bell und den Nama-Führer Cornelius Fredericks aus Namibia erinnert werden. Doch Anwohner*innen haben Widerspruch eingelegt. Auch die Diskussion um die M*straße in Berlin zieht sich schon seit Jahren hin.

Die zentrale und offene Sammlung von Straßennamen und Denkmälern soll nun auch einen Perspektivwechsel anstoßen: hin zu einer antikolonialen und antirassistischen Perspektive. Viele postkoloniale Gruppen fordern daher dezidiert, von Rassismus Betroffene in Deutschland und den ehemaligen Kolonien darüber entscheiden zu lassen, was mit Denkmälern und Straßennamen passieren soll.

Die Karte sei ein erster Schritt und lade ein zum partizipativen Sammeln, heißt es vom Peng!-Kollektiv. Dass es im Ruhrpott besonders viele koloniale Straßennamen gibt, kann dem frühen Stadium der Karte gewidmet sein – oder dem Fakt, dass frühe deutsche Kolonialisierung eng verwoben war mit der Arbeit der rheinischen Missionare.

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