Auf dem Klugscheißerteppich

Fantasy-Literatur

  • Ruth Oppl
  • Lesedauer: 3 Min.

Wussten Sie, dass Vampire glitzern, wenn sie sich aufregen? Und dass es deshalb passieren kann, dass ein Vampir, wenn seine innere Unruhe zu groß ist, sich mit seinem hellen Glitzern selbst verbrennen kann? Nein? Aber dass die Sterne deshalb so hell leuchten, weil es auf ihnen außerirdische Lebensformen gibt, die unsere Welt in unterschiedlicher Frequenz und Intensität fotografieren, und dass deshalb die Spezies der »Klarovollen«, die in den grünen Teilen der Bäume und Pflanzen leben, ihre Tage damit verbringt, die Sterne zu beobachten, weil davon auszugehen ist, dass jedes Mal, wenn die Blitzlichtaktivität besonders hoch ist, bei uns auf der Erde etwas besonders Spektakuläres geschieht, was wiederum den »Klarovollen« Vorhersagen weltbewegender Ereignisse ermöglicht (diese Vorgänge sind im Übrigen die eigentliche Grundlage der Photosynthese) - davon haben Sie vielleicht schon einmal gehört? Auch nicht?

Leider ist das nicht weiter verwunderlich, denn der in mindestens zweierlei Hinsicht fantastische Roman »Totes Zen«, aus dem man alles oben Genannte erfahren kann, ist in einem kleinen Verlag erschienen, von dem Sie vermutlich bisher auch nicht wussten, dass es ihn gibt. Oder haben Sie schon einmal etwas vom Ach-Je-Verlag gehört?

»Totes Zen« jedenfalls, geschrieben von Jasper Nicolaisen, der auch als Autor fürs nd-Feuilleton tätig ist, ist tatsächlich nichts weniger als die Modernisierung der Fantasy-Literatur. Während der bekannte Science-Fiction- und Fantasy-Schriftsteller Michael Moorcock, wie Dietmar Dath vor einiger Zeit in der FAZ feststellte, inhaltlich »bewiesen hat, dass Fantasyliteratur sich nicht in süßlicher Wichtelidyllik, Verklärung vorindustrieller Verhältnisse oder Orcs-gegen-Elben-Rassenwahn erschöpfen muss, und damit zum ersten (und bis heute größten) echten Modernisten dieser Textgattung wurde«, gehört Nicolaisens Roman nicht nur, was den Inhalt betrifft, zur Moderne, sondern auch hinsichtlich seiner Sprache und literarischen Form. So schrill, so verspielt und so prallvoll mit diversem Gelichter die Welt von »Totes Zen« ist, sprachlich ist sie nahezu mathematisch exakt dargestellt; und erzählt ist sie - ungeachtet aller Abschweifungen - mit einer bestechenden formalen Schlichtheit. Wir haben es hier mit einem spekulativen Metafiktions-Fantasy-Roman zu tun, der, ginge es im Literaturbetrieb mit rechten Dingen zu, im Bücherregal einen Platz direkt neben Stanislaw Lems »Futurologischem Kongress« erhalten müsste.

Darüber hinaus ist dieser Roman überdurchschnittlich komisch, weswegen insbesondere schamhafte Personen und solche, die sich einen Ruf als ernsthafte Denker erarbeitet haben, ausdrücklich gewarnt seien: Während man dem Barbaren, dem fliegenden Klugscheißerteppich mit dem schlafenden Zauberer darauf und dem Eulenzombie auf der Suche nach dem Juwel der Zwerge immer tiefer in den Berg folgt, den man sich - »mit seinen Tunneln und Fallgruben, mit den Luftschächten und Lavakanälen, mit den endlosen Treppen und bodenlosen Abgründen und den Schrecken, die darin hausen« - als eine Art Super-Dungeon vorstellen muss, kann es zu lautem Gelächter kommen. Weswegen eine Lektüre an öffentlichen Orten wohlüberlegt sein sollte.

Jasper Nicolaisen: Totes Zen. Ach-Je-Verlag, 151 S., br., 12,99 €.

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