Werbung

Vertane Chance beim Vorkaufsrecht

Mieter werfen dem Pankower Baustadtrat Untätigkeit vor / Schwedischer Investor weiter auf Shopping-Tour

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 3 Min.

»Wir wurden im Regen stehen gelassen«, sagt Henry Neumann, Mieter der Malmöer Straße 12. Es ist eines von fünf Häusern in Prenzlauer Berg, die von der Skjerven Group für den schwedischen Immobilieninvestor Heimstaden gekauft worden sind. Über 150 Menschen wohnen in den zwei Eckensembles Malmöer/Paul-Robeson-Straße und Malmöer/Czarnikauer Straße. Mitte Juni haben sie von dem Verkauf erfahren, zunächst durch einen Anruf der Hausverwaltung bei einigen Mietern, dann durch ein Schreiben. Es sei ein »toller schwedischer Investor mit langfristigem Interesse«, hieß es darin.

»Nach Recherchen kamen bei uns Mietern sehr große Zweifel auf, ob der neue Eigentümer wirklich so toll ist«, so Neumann. Dieser kauft in großem Stil Mietshäuser in Berlin, gerade auch in Milieuschutzgebieten. »Das Geschäftsmodell ist auf Renditemaximierung ausgelegt«, ist der Mieter überzeugt. Der Bezirk Mitte hat dementsprechend den Vorkauf von vier für Heimstaden gekauften Häusern in Wedding und Moabit am 23. Juni beschlossen, unter der Voraussetzung, dass Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) die nötigen Zuschüsse gibt. Zumindest für das Moabiter Haus Waldenserstraße 9 hat das geklappt, Bezirksstadtrat Ephraim Gothe gab am Dienstag die Ausübung bekannt. Hier erfuhren die Mieter vom Stadtrat frühzeitig von dem Verkauf.

Nicht jedoch in Pankow. Am 3. Juli schrieb Baustadtrat Vollrad Kuhn (Grüne) in einer Mail, dass sein Haus bereits seit Ende Mai von dem Kauf wusste. Verkehrswertgutachten hätten die »sehr hohen Kaufpreise trotz des bestehenden Sanierungsaufwandes bestätigt«, heißt es in der »nd« vorliegenden Mail. Alle angefragten Käufer, zwei kommunale Gesellschaften sowie eine Genossenschaft, hätten deswegen einen Kauf abgelehnt. Der Zuschuss des Finanzsenators hätte 80 Prozent betragen müssen, schreibt Kuhn. »Angesichts dieser Höhe hat auch die politische Spitze der Senatsverwaltung einen Ankauf als nicht machbar eingeschätzt«, so Kuhn weiter.

»Unsere Mieterschaft hat seit dem 17. Juni mehrfach das Bezirksamt und Bezirksstadt Kuhn aufgefordert, das Vorkaufsrecht zum Schutz unserer jahrzehntelang gewachsenen Hausgemeinschaft auszuüben; mindestens jedoch eine Abwendungsvereinbarung zu erreichen«, berichtet Henry Neumann. Erst am Montag habe man auf Nachfrage erfahren, dass die Frist für den Vorkauf am 14. Juli endet. »Wir wurden unserer Mitbestimmungsmöglichkeiten beraubt. Auch unser Handlungsspielraum wurde uns damit genommen - ein mehr als verstörendes Verständnis von verantwortungsvoller sozialer Politik«, sagt der Mieter zu Kuhns Vorgehen.

Kontakt hatten Mieter und Stadtrat bereits seit Januar, denn zunächst sollten die Häuser zwangsversteigert werden. »Als dann plötzlich das Zwangsversteigerungsverfahren doch aufgehoben wurde, der Kaufvertrag vorlag und der Fachbereich sich nach interner Prüfung zur Aufnahme des Vorkaufs-Verfahrens entschieden hatte wurden Wertgutachten beauftragt sowie Anfragen an Drittkäufer vorbereitet«, berichtet Vollrad Kuhn auf nd-Anfrage. »Eine frühzeitige Einbindung war wegen der Kürze der Zeit und der pandemiebedingten Unterbesetzung der Gruppe im Fachbereich mit zu jener Zeit nur einer Kollegin leider nicht möglich«, erklärt Kuhn die Funkstille. Um das künftig besser handhaben zu können, solle ein geeigneter Träger als Dienstleister das Bezirksamt dabei unterstützen. Bei einem Gespräch diesen Mittwochnachmittag wolle er das den betroffenen Mietern erläutern.

Ein Sprecher der Skjerven Group erklärt auf nd-Anfrage, dass diese erstmals vor zwei Jahren für Heimstaden in der Spandauer Wilhelmstadt 484 Wohnungen gekauft habe und es dort »Bestandshaltung und keine Mieterbeschwerden« gebe.

#ndbleibt – Aktiv werden und Aktionspaket bestellen
Egal ob Kneipen, Cafés, Festivals oder andere Versammlungsorte – wir wollen sichtbarer werden und alle erreichen, denen unabhängiger Journalismus mit Haltung wichtig ist. Wir haben ein Aktionspaket mit Stickern, Flyern, Plakaten und Buttons zusammengestellt, mit dem du losziehen kannst um selbst für deine Zeitung aktiv zu werden und sie zu unterstützen.
Zum Aktionspaket

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal