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Kritik am olympischen Krisenmanagement

Die immer noch große Ungewissheit über die Sommerspiele 2021 belastet vor allem die Sportlerinnen und Sportler

  • Andreas Schirmer und Lars Nicolaysen, Tokio
  • Lesedauer: 4 Min.

Für die Athleten ist es ein quälendes Bangen um und ermüdendes Warten auf die Olympischen Spiele in Tokio. »Es ist unheimlich zäh, es fällt schwer, so weit in die Zukunft zu planen, wenn man täglich mit neuen Nachrichten konfrontiert wird, die Olympia immer unwahrscheinlicher erscheinen lassen«, sagte Max Hartung, Vorsitzender des Vereins Athleten Deutschland. Nach dem nervenzehrenden Hin und Her bis zur Verlegung der Sommerspiele wegen der Coronavirus-Pandemie ins kommende Jahr werden Athleten nun mit monatelanger Ungewissheit leben müssen, ob der neue Termin zu retten ist. »Die Sorge ist zweifelsohne vorhanden, aber wir planen professionell in allen Bereichen die Spiele für das Jahr 2021«, sagte Alfons Hörmann, Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB). Das beinhalte auch, sich verantwortungsvoll mit alternativen Szenarien zu beschäftigen.

Wie reduzierte Sommerspiele aussehen könnten, diskutiert Hartung im Training mit anderen Athleten, »weil wir ein Bild davon haben wollen, auf das wir hintrainieren«. Olympia sei ein Fest der Begegnung mit rund 11 000 Athleten. »Es ist noch Zeit, aber die läuft, und es wird knapp«, sagte der bereits für Tokio qualifizierte Säbelfechter. Während man sich in Deutschland wieder freier bewegen könne, steige die Zahl der Infizierten weltweit weiter - so auch in den USA, der Sportmacht. Und ein Ende sei nicht in Sicht.

Keine wilden Partys

Um sich die Hoffnung auf die olympische Eröffnungsfeier am 23. Juli 2021 zu erhalten, reduziert er seine Erwartungen: »So wie ich mir die Spiele gewünscht habe, mit einem vollen Stadion, mit Freunden und Familie sowie wilden Partys nach unseren Wettkämpfen, das halte ich doch für völlig unrealistisch.« Die japanischen Organisatoren kündigten bisher nur an, die auf den 23. Juli bis 8. August 2021 verschobenen Sommerspieler simpler als ursprünglich geplant zu veranstalten und die Kosten zu minimieren. Bisher wird spekuliert, dass die Verlegung zusätzlich bis zu sechs Milliarden Dollar kosten könnte. Immerhin haben die Olympiamacher in Tokio von rund 80 Prozent der Betreiber der Austragungsstätten das Einverständnis, sie auch im nächsten Jahr nutzen zu können. Schwierig gestalten sich dagegen die Gespräche mit den Investoren für die Wohnflächen, die für das olympische Dorf vorgesehen sind.

Auf der ersten virtuellen Session des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) am kommenden Freitag soll auch der schon leicht modifizierte Wettkampfkalender vorgelegt werden. Wird IOC-Präsident Thomas Bach aber auch mehr Einblick ins Krisenmanagement und in alternative Planungen geben? Vor allem die Athleten fordern, mehr über elementare Überlegungen zu den Tokio-Spielen informiert und auch zurate gezogen zu werden.

Athleten fordern Mitbestimmung

»Ich wünsche mir vordringlich, dass die Athleten in die Planung und in die Szenario-Planung mit einbezogen werden«, sagte Hartung. »Ich habe momentan eher das Gefühl, dass da wenig von den entscheidenden Details tatsächlich kommuniziert wird.« Er verstehe, dass man noch keine Deadline für eine Absage setzen könne. »Aber man kann doch sagen: Komm, wir entwickeln mit den Athleten ein Konzept ABC und besprechen offen, was passiert bei einer Absage, bei einer Version ohne Zuschauer und wenn nur bestimmte Wettkämpfe durchgeführt werden können«, betonte der 30-Jährige.

Sorgen um Wettkampfpraxis

Bei allen Unabwägbarkeiten um die Tokio-Spiele hofft der DOSB aktuell auf mehr sportliche Normalität hierzulande ab September. »Es wäre schon wichtig, in den nächsten Wochen und Monaten wieder in den Wettkampfbetrieb einsteigen zu können«, sagte DOSB-Leistungssportchef Dirk Schimmelpfennig. »Für den langfristigen Leistungsaufbau zur Vorbereitung auf die Spiele ist eine ausreichende Wettkampfpraxis absolut notwendig, um konkurrenzfähig zu sein.« Dass die Sommerspiele 2021 dennoch ganz andere werden als jemals zuvor, ist abzusehen. »Davon ist wohl nach den jüngsten Verlautbarungen der Japaner auszugehen«, sagte Hörmann. »Wir hoffen, dass es gelingen wird, ein gut akzeptables Konzept umzusetzen.« Die Japaner sind davon überzeugt, dass mehr als das gelingen wird. Man sei entschlossen, mit den verlegten Olympischen Spielen einen »sogar noch größeren Wert für die Gesellschaft« im kommenden Jahr zu liefern, hieß es. dpa/nd

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