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Unmenschliches Veto

Seehofer verweigert Berlin die Aufnahme von 300 schutzbedürftigen Geflüchteten aus Griechenland

  • Marie Frank
  • Lesedauer: 3 Min.

Es war eine erwartbare Reaktion des in den sozialen Medien mittlerweile als »BlockadeHorst« bezeichneten Bundesinnenministers Horst Seehofer (CSU), dennoch ist die Empörung groß: »Das macht uns im Senat alle sehr wütend«, teilte der Regierende Bürgermeister Michael Müller am Donnerstag auf Twitter mit. Der SPD-Politiker meint damit die Ablehnung des von Rot-Rot-Grün Mitte Juni beschlossenen Landesaufnahmeprogramms durch Seehofer. 300 besonders schutzbedürftige Personen sollten damit aus den überfüllten Flüchtlingslagern auf den griechischen Inseln nach Berlin geholt werden. Das Veto von Seehofer ist für Müller ein »politischer Skandal«.

Am Donnerstag war bekannt geworden, dass der selbsterkorene Heimatminister Seehofer das nötige Einverständnis zu dem Landesaufnahmeprogramm nicht geben wird. Es erfülle nicht die rechtlichen Voraussetzungen nach dem Aufenthaltsgesetz, hieß es zur Begründung. Mit Blick auf das bundesweite Aufnahmeprogramm - über das bis Ende August 928 Flüchtlinge aus Griechenland nach Deutschland kommen sollen, 142 davon nach Berlin - ist das Bundesinnenministerium (BMI) der Ansicht, dass mit einem zusätzlichen Berliner Aufnahmeprogramm die Bundeseinheitlichkeit nicht gewahrt wäre.

Die Senatsinnenverwaltung erklärte sich gegenüber »nd« trotz Seehofers Veto weiterhin aufnahmewillig: »Die Bereitschaft zur Aufnahme von 300 Menschen existiert nach wie vor - auch nach dem Brief des BMI und unabhängig, ob dies über ein Landesaufnahmeprogramm oder auf anderem Weg (dem des Bundes und der Europäischen Kommission) geschieht«, so ein Sprecher. Berlin hat sich, ebenso wie über 150 weitere Städte und Kommunen, schon seit Längerem bereit erklärt, ein sicherer Hafen für die Aufnahme von aus Seenot geretteten Geflüchteten zu sein.

Die Initiative Seebrücke Berlin forderte den Senat am Donnerstag auf, rechtliche Schritte gegen Seehofers Veto zu prüfen. »Die Ablehnung widerspricht mehreren juristischen Gutachten«, sagte Sprecher Nicolay Bittner zu »nd«. Gutachten der Rosa-Luxemburg-Stiftung und der Grünen kommen zu dem Schluss, dass Berlin Geflüchtete zur Not auch eigenständig, ohne Zustimmung des BMI aufnehmen kann. Für Bittner ist die Blockadehaltung Seehofers eine »moralische Bankrotterklärung«: »Seehofer bricht damit nicht nur Aufenthaltsrecht, sondern verweigert auch dringend benötigte Hilfe.«

Auf den griechischen Inseln herrschen unhaltbare Zustände: Allein im Lager Moria, das für 3000 Menschen ausgelegt ist, wohnen mehr als 20 000 Flüchtlinge ohne ausreichende Versorgung mit sauberem Wasser. »Es geht hier um Menschen, um Familien und Kinder, die unter schlimmsten Bedingungen überleben müssen«, betont Bittner. Angesichts der Situation in Griechenland fordert Seebrücke, mehr als 300 besonders schutzbedürftige Personen aufzunehmen. »Berlin hat weit höhere Kapazitäten«, sagt Bittner. Die Senatsinnenverwaltung widerspricht: Es müsse davon ausgegangen werden, »dass darunter viele traumatisierte Menschen sind«, so ein Sprecher zu »nd«. Für eine adäquate Betreuung existiere in der Hauptstadt aber nur eine Unterbringungs- und Betreuungsinfrastruktur für 300 Menschen.

Dass Seehofer nicht einmal diese aufnehmen will, hält die flüchtlingspolitische Sprecherin und Landesvorsitzende der Berliner Linken für »skandalös« - »wie das ganze Verhalten der Union gegenüber der humanitären Katastrophe in Griechenland ein einziger Skandal ist«, so Katina Schubert. »Wir werden jetzt rechtliche Schritte prüfen«, kündigt sie gegenüber »nd« an.

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