Sammeln für weiße Farmer

Simbabwes Regierung verspricht Entschädigung für Enteignungen vor 20 Jahren

  • Christian Selz, Kapstadt
  • Lesedauer: 3 Min.

Emmerson Mnangagwa war bemüht, die symbolische Wirkung des Augenblicks so wirksam wie möglich zu gestalten. »Dieses bedeutungsvolle Ereignis ist historisch«, erklärte Simbabwes Präsident, nachdem er in der Hauptstadt Harare ein Entschädigungsabkommen mit der Commercial Farmers Union (CFU) abgeschlossen hatte. Der Verband vertritt die Interessen von etwa 4500 weißen Farmern, die im Jahr 2000 von ihren Ländereien vertrieben wurden und infolge der Vereinbarung nun mit insgesamt 3,5 Milliarden US-Dollar entschädigt werden sollen. Das Abkommen schaffe »einen Abschluss und einen Neuanfang«, befand Mnangagwa. CFU-Präsident Andrew Pascoe sprach von einem »gewaltigen Meilenstein«.

Doch die Einigung vom vergangenen Mittwoch hat einen Haken: Der simbabwische Staat hat das Geld nicht. Ein Komitee aus Regierungsangehörigen und CFU-Vertretern soll deshalb nun weltweit Geldgeber werben, um die nötigen Mittel aufzubringen. Parallel legt der Staat eine Langzeit-Anleihe auf. Bereits in einem Jahr soll die erste Hälfte der Entschädigung gezahlt werden, innerhalb der kommenden fünf Jahre dann der Restbetrag. »Wir haben uns selbst zwölf Monate gegeben, um um die Welt und in Simbabwe umher zu rennen, um Wege zu finden, diese Finanzierung aufzubringen«, erklärte Finanzminister Mthuli Ncube bildhaft und fügte hinzu: »Wir sind entschlossen, das zu schaffen.«

Der Entschlossenheit des Ministers stehen jedoch einige Hürden im Weg. So ist der simbabwische Staat seit Jahren völlig überschuldet, die Inflationsrate liegt bei über 700 Prozent und der Niedergang der Wirtschaft schreitet in Folge des Corona-Lockdowns noch etwas rasanter voran als ohnehin schon. Es gibt Treibstoffengpässe, die Arbeitslosenquote liegt formal bei etwa 90 Prozent und Millionen Menschen sind auf Nahrungsmittelhilfen angewiesen. Die in der internationalen Wirtschaftspresse zitierten Finanzmarktanalysten zeigten sich ob der Erfolgsaussichten einer simbabwischen Staatsanleihe entsprechend skeptisch. »Es bedürfte einer dramatischen Verbesserung des Vermögens Simbabwes, um das möglich zu machen«, sagte der Chefökonomen der Londoner Investmentbank Renaissance Capital.

Einen Sinn ergibt das Abkommen dennoch, für beide Seiten. Aus Sicht der Farmer ist der blasseste Hoffnungsschimmer mehr als nichts. Und die Regierung kann sich dem Westen als einsichtig und rechtschaffen präsentieren, um schließlich aus ihrer Isolation herauszukommen. Ihr Gesicht verliert sie dabei nicht. Denn einerseits strich Mnangagwa klar heraus, dass entsprechend der simbabwischen Verfassung lediglich für geschaffene Werte auf dem Land Entschädigung gezahlt werden soll, nicht aber für den Grund und Boden. Die Landreform sei unumkehrbar. Darüber hinaus ähnelt die nun angestrebte Finanzierung über externe Geldgeber der ursprünglich zur Unabhängigkeit im Lancaster-House-Abkommen von 1979 vereinbarten Regelung. Damals verpflichtete sich die ehemalige Kolonialmacht Großbritannien, die Hälfte der Finanzierung eines Landreformprogramms zu übernehmen, bei dem der Staat Farmen von Weißen aufkaufte und an landlose Schwarze umverteilte.

Diese Verpflichtung hatte die britische Regierung unter Anthony Blair ab 1997 einseitig gebrochen. In der Folge geriet Langzeitpräsident Robert Mugabe intern unter Druck, bis Veteranen des Befreiungskampfes Anfang 2000 schließlich mehr oder minder auf eigene Faust handelten und begannen, weiße Farmer teils gewaltsam zu vertreiben. Mugabe ließ sie gewähren. Der Westen reagierte mit Sanktionen, die - neben der verbreiteten Korruption innerhalb der simbabwischen Regierung - zum bis heute anhaltenden Niedergang der Volkswirtschaft beitrugen. Mnangagwa, der lange Jahre als Stellvertreter Mugabes fungierte und diesen schließlich Ende 2017 infolge eines Militärputsches an der Staats- und Regierungsspitze ablöste, versucht das Land seit seinem Amtsantritt nun wieder stärker für ausländische Investoren zu öffnen. Diesem Ziel dient auch das jetzige Abkommen mit den weißen Farmern. Es ist ein PR-Coup. Ob eine Finanzierung der Entschädigungen tatsächlich gelingt, ist dabei irrelevant.

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