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Wie Brüder

Die neue Stärke von PSG liegt im Teamgeist.

  • Ulrich Kroemer, Lissabon
  • Lesedauer: 3 Min.

Kylian Mbappé muss noch jede Menge Adrenalin in sich gehabt haben, als er nach dem euphorischen 3:0-Triumph von Paris St. Germain im Halbfinale der Champions League gegen RB Leipzig zur Pressekonferenz kam. Neben seinem Trainer Thomas Tuchel nahm er in dem weitgehend leeren, an einen Kinosaal erinnernden Medienraum im Estadio da Luz in Lissabon Platz und gab auf die Fragen der Reporter, die wegen der Corona-Sicherheitsvorkehrungen von weit oben unterm Hallendach zugeschaltet wurden, überraschend ehrliche Antworten. Einblicke in das Innenleben eines 800 Millionen Euro teuren Teams und in die Beziehung der beiden teuersten Spieler der Welt - Mbappé (180 Millionen Euro) und Neymar (222 Millionen) - untereinander und im Zusammenspiel mit der Mannschaft.

Ein wichtiger Aspekt, warum es Paris anders als in den acht Jahren zuvor, in denen die katarische Besitzerfamilie ebenfalls Millionen in den Klub pumpte, erstmals ins Endspiel geschafft hat und nun den FC Bayern herausfordert: Die beiden Superstars verstehen sich auf dem Platz wie auch privat blendend. »Wir sprechen offen miteinander, wir mögen uns und haben Spaß, die Chemie zwischen uns hat sofort gestimmt«, sagte Mbappé. »Jeder hat Respekt vor dem anderen!« Wie Brüder verhielten sich beide, bestätigen französische Reporter.

Entscheidend für den Erfolg der PSG-Equipe ist, dass sich die Mannschaft als Team neu erfunden hat. Und das hängt auch damit zusammen, dass sich Mbappé und Neymar geöffnet haben. »Wir haben uns verbessert in unserer Beziehung zu den anderen, sind nicht mehr so konzentriert auf uns beide, sondern haben verstanden, dass wir gemeinsam gewinnen und nicht nur zu zweit«, berichtete der französische Nationalstürmer. Das klingt zwar nach den Einsichten eines A-Jugendlichen, zeigt aber, wie weit entfernt Paris von einer Gemeinschaft gewesen sein muss, als Tuchel und sein Assistent, RB Leipzigs ehemaliger Co-Trainer Zsolt Löw, die Mannschaft 2018 übernahmen. Nun hat es das deutsch-ungarische Trainerduo ganz offensichtlich geschafft, die Stars vom Sockel zu holen und mit dem Rest zu vereinen.

»Wir haben eine Mannschaft erschaffen, in der jeder seine Bedeutung, seine Stärken und Schwächen kennt«, sagte Mbappé, der nach einer Bänderverletzung Ende Juli noch immer mit Knöchelstütze spielt. Und: »Es ist wichtig, dass man die Leute um einen herum schätzt, dann ist es einfacher, Opfer zu bringen.«

Sätze wie aus einem Teambuilding-Seminar; doch Mbappé und Neymar haben sie verinnerlicht. Zwar erzielten beide kein reguläres Tor, aber die Magie, die vom Spiel des Zauberduos ausgeht, war gegen RB zu sehen.

Insbesondere Neymar zeigte sich in Weltklasseform. Der 28-Jährige dribbelte nicht nur seine Gegenspieler aus, legte ein Tor auf und traf gleich zweimal den Pfosten. Er holte sich auch Bälle an der Mittellinie, kämpfte und - Achtung: Spezialdisziplin - holte Freistöße wie den vor dem 1:0 der Pariser heraus. »Wir sind beileibe keine Mannschaft, die sich nur auf die schönen Dinge konzentriert«, betonte der frühere Mainzer und Dortmunder Bundesligatrainer Tuchel und umschrieb damit seine größten Verdienste.

Die französischen Reporter haben dennoch etwas am Zauberduo auszusetzen: Neymar ist im Miniturnier von Lissabon noch kein Tor gelungen. Thomas Tuchel weist mit viel neuer Gelassenheit und etwas Koketterie darauf hin, dass er in seiner gesamten Karriere »vielleicht zwei« Tore geschossen habe. (Um genau zu sein: Es waren drei, in der Regionalliga Süd für den SSV Ulm.) »Was kann ich Neymar schon erklären, wie man ein Tor schießt?«, stapelte Tuchel tief. Vielleicht könne Mbappé ja helfen? Tuchel setzte den letzten Motivationsschub für den brasilianischen Wunderstürmer ganz nebenbei: »Wenn er im Finale trifft, bin ich zufrieden.«

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