Kein Eintrittsgeld für die Bundeswehr

In Bonn stehen Kriegsgegner vor Gericht, weil sie auf dem Gelände des Gefechtsübungszentrums in der Altmark demonstriert haben.

Das Gefechtsübungszentrum (GÜZ) 40 Kilometer nördlich von Magdeburg in der Altmark ist eine europaweit einmalige militärische Einrichtung. Auf 232 Quadratkilometern kann hier mit modernsten Mitteln für den Krieg trainiert werden. Mit einem Lasersystem werden Schüsse und Treffer aufgezeichnet, jeder Funkspruch kann mitgeschnitten werden, Militärführer haben eine moderne Auswertungszentrale und können genau nachvollziehen, was die bis zu 1500 Soldaten, die an einer Übung teilnehmen können, getan haben. Es gibt Dörfer, die kosovarischen und afghanischen Orten nachempfunden sind, und mit »Schnöggersburg« sogar eine Übungsstadt mit U-Bahn-Tunnel, Kanalisation und Flughafen.

Gegen das in Regie des Rheinmetall-Konzerns gebaute GÜZ gibt es seit Jahren Proteste. Lokale Initiativen wollen, dass die Colbitz-Letzlinger Heide nach 70 Jahren nicht mehr für militärische Zwecke genutzt wird, und Friedensaktivisten sehen das GÜZ als zentralen Ort der Kriegsvorbereitung. Jede Bundeswehreinheit, die in den Auslandseinsatz geht, übt vorher in der Altmark. Dem wollten sich auch im August 2019 Antimilitaristen entgegenstellen. 25 Menschen betraten dabei das GÜZ-Gelände. Eine »zivile Inspektion« sei das gewesen, erzählt Katja Tempel, die dabei war. Kilometerweit ging es damals durch Wald und Heide bis an einen Bauzaun, der um Schnöggersburg aufgestellt worden war. Dort musizierten die Aktivisten und forderten ein »Friedensübungszentrum« anstelle des GÜZ.

Die Polizei nahm die Personalien von allen Beteiligten auf. Einige Monate später kam Post vom Bundesverteidigungsministerium. Strafen in Höhe von 200 bis 500 Euro sollten die Aktivisten zahlen - wegen »unerlaubten Betretens eines militärischen Sperrgebietes«. Doch zu zahlen wäre, »wie bei der Bundeswehr nachträglich eine Eintrittskarte zu kaufen«, sagt Katja Tempel. Stattdessen legten die Aktivisten Widerspruch ein. Nun verhandelt das Amtsgericht Bonn darüber. Hier hat die Bundeswehr noch immer ihren Hauptsitz.

Vor Gericht politische Prozesse zu führen, gehört zur Strategie der Kriegsgegner vom Zusammenschluss »Gewaltfreie Aktion GÜZ abschaffen«, der vom Jungen Netzwerk für politische Aktionen (JunepA), der Bürgerinitiative Offene Heide und Einzelpersonen getragen wird. »Die Gerichte sollen unsere Notstandshandlung als legal anerkennen«, erklärt Tempel.

Ein Prozess im Juli endete für den Herforder Musiker Gerd Büntzly mit einer Geldbuße von 400 Euro. Büntzly hatte argumentiert, Deutschland sei von Freunden umgeben, beute aber »nach Kräften den Rest der Welt aus«. Deshalb seien für Pazifisten Aktionen zivilen Ungehorsams geboten. Das Gericht folgte dem nicht. Bis in den Oktober werden zahlreiche weitere Verfahren gegen Kriegsgegner folgen.

Unterdessen wird es von 16. bis 21. September erneut ein Friedenscamp in der Altmark geben. Ziel ist es, das GÜZ mit »lebendigen Ideen« zu »beleben«.

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