Zuhören in der Shisha-Bar

Linksfraktionsvorsitzende Mohamed Ali informiert sich über die Auswirkungen der »Clanbekämpfung« durch Nordrhein-Westfalen

Essen-Kray ist kein wohlhabender Stadtteil. Die Autobahn 40 verläuft direkt im Süden des Stadtteilzentrums, an der Autobahnauffahrt stehen am Nachmittag drei Männer und trinken Bier. In der Haupteinkaufsstraße des Stadtteils gibt es viel Leerstand. Außerdem einige Shisha-Bars, Spielhallen und Wettbüros. Sie sind jedes Mal das Ziel von polizeilichen Durchsuchungen, wenn Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU) zum Kampf gegen die »Clankriminalität« aufruft. Deswegen ist Amira Mohamed Ali, die Fraktionsvorsitzende der Linken im Bundestag, in den Stadtteil gekommen. Die Essener Linke hat sie in eine Shisha-Bar eingeladen. Um zu zeigen, dass die »Clanbekämpfung« des Landes selbst ein Problem sei, weil sie Menschen diskriminiere, wie Jules El-Khatib, der im Landesvorstand der NRW-Linken sitzt, erklärt. Die Fraktionschefin hört nach einer kurzen Einleitung vor allem zu.

Menschen aus Essen und anderen Ruhrgebietsstädten erzählen an diesem Nachmittag über Stigmatisierungen. Wie Bürgerkriegsflüchtlinge aus dem Libanon in den 90er-Jahren als »Klau-Kids« herabgewürdigt wurden und nun kollektiv als »Clankriminelle« abgestempelt werden. Sie berichten von der mehr als 100 Nachnamen umfassenden Liste des Innenministeriums, die dazu führe, dass Menschen der Stempel »Clan« aufgedrückt wird. Aktive eines Anti-Nazi-Bündnisses erzählten von den »Steeler Jungs«, die beste Kontakte zu kriminellen Rockern hätten, bei denen aber keine Razzien stattfänden. Jules El-Khatib steuert seine Beobachtung von dem letzten Großeinsatz bei, bei dem ein illegaler Spielautomat gefunden wurde, der von Polizisten mehrfach aus einer Bar getragen wurde, damit anwesende Fotografen gute Bilder mit dem Innenminister und dem beschlagnahmten Automaten anfertigen konnten.

Amira Mohamed Ali hört sich das alles an, bevor sie dann über das »wachsendes Problem mit Rassismus« spricht, das es in Deutschland gebe. Die AfD vertrete im Parlament rassistische Positionen, doch das Problem gebe es schon länger. »Ich erinnere da an die ‚Kinder statt Inder‘ Parolen der CDU, an Thilo Sarrazin und nicht zuletzt an Horst Seehofer, der die Migration als ‚Mutter aller Probleme‘ bezeichnet hat«, so die Fraktionsvorsitzende. Die Zuspitzung auf das Schlagwort »Clankriminalität« nennt sie »nicht zielführend«. Natürlich müsse Kriminalität bekämpft werden, »in jedem Fall und ganz egal, wer Täter ist«. Aber durch die »Verwendung des Begriffes werden nur Vorurteile geschürt und Communities pauschal stigmatisiert.« Amira Mohamed Ali führt das darauf zurück, dass es funktioniere, Rassismus als »Mittel zur Erlangung politischer Macht« einzusetzen.

Ein anderes Problem, das viele Anwesende nennen, ist das restriktive Aufenthaltsrecht. In der Stadt gebe es Menschen, die seit fast 50 Jahren mit einem unsicheren Status einer Duldung lebten. Für Amira Mohamed Ali ein »grundlegendes Problem«. Geduldete dürften »nicht arbeiten gehen oder eine Ausbildung machen«. Insgesamt sähen sich Menschen mit Migrationshintergrund »öfter mit Vorbehalten konfrontiert«, urteilt die Fraktionsvorsitzende der Linken. Die Bundesregierung müsse »bei der Integrationspolitik viel mehr tun«. Schließlich sei es wichtig, dass Menschen nicht nebeneinander her leben, »sondern sich treffen und im Austausch stehen«.

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