Ein Jahr und ein Tag mit Union

Matthias Koch führt in seinem neuen Buch mit vielen eigenen Fotos und Geschichten über die Protagonisten durch die erste Bundesligasaison des Berliner Fußballklubs.

Wenn die Fußballer des 1. FC Union Berlin an diesem Sonnabend mit der Pokalpartie beim Zweitligisten Karlsruher SC zum ersten Pflichtspiel der neuen Saison antreten, ist Matthias Koch dabei. Natürlich, denn der Fotograf und Sportjournalist ist eigentlich immer dabei - seit 21 Jahren. Und das nicht nur bei Liga- und Pokalpartien, sondern auch bei Testspielen, in Trainingslagern und bei den Übungseinheiten der Köpenicker in der Alten Försterei. Mit seinem neuen Buch »Union rockt die Bundesliga« bebildert und beschreibt er eine einzigartige Saison.

»Die gesamtdeutsche Erstligapremiere der Eisernen ist für mich als gebürtigen Köpenicker etwas ganz Besonderes«, schreibt Koch in seiner Einleitung. Daneben ist ein Foto zu sehen, dass ihn mit Stativ und Kamera auf seinem »Corona-Baum« zeigt, wie er den abgesägten Stumpf nennt. Von dort konnte er »mit Sondergenehmigung des Bezirksamtes und der Duldung von Union« auch die Zeit dokumentieren, in der das Trainingsgelände »über Monate verschlossen« war. Bundesliga und Pandemie: »Es war für mich die spannendste Zeit als Autor, aber auch die arbeitsreichste«, erzählt Koch dem »nd«. Platz für ein Parallelleben habe es da kaum gegeben. Sein Dank ging deshalb, wieder einmal, auch an seine Frau Jana und die gemeinsame Tochter Maxi für deren Verständnis.

Das Ergebnis seiner Arbeit sind 165 unterhaltsame und informative Seiten. Ein Jahr und ein Tag mit dem 1. FC Union: Vom Auftakt am 27. Juni 2019 bis zum Saisonabschluss am 28. Juni 2020 führt Koch chronologisch durch die Saison. Zu jedem Pflichtspiel gibt es Aufstellungen, Torschützen, einen kurzen Infotext - und eine eigene Geschichte. Wie diese zum Bundesligaauftakt gegen RB Leipzig: »Schon vor dem Spiel erregt Union mit der Aktion ›Endlich dabei‹ Aufmerksamkeit. Verstorbene Fans, Spieler und Mitarbeiter, die die Bundesliga nicht mehr erleben können, werden auf besondere Weise geehrt. Angehörige und Freunde halten Banner hoch, auf denen Schwarz-Weiß-Porträts der Toten zu sehen sind. Die Anzeigetafel zeigt später 22 467 anstatt der sonst üblichen 22 012 Besucher an.«

Blättert man durch das Buch, kann man sich schnell darin verlieren. Das Besondere und Beeindruckende ist die Bebilderung: 447 Fotos sind zu sehen. Die Auswahl fiel Koch nicht leicht, weil er sich durch rund 50 000 eigene Fotos habe kämpfen müssen, wie er »nd« verriet. Flaschensammler vor dem Stadion, Stürmer Sebastian Polter umringt von den Eisernen Müggelheimern in rot-weiß gestreifter Bademode nach ihrem Sieg beim jährlichen Drachenbootrennen, eine Fanfahrt mit der Dampflok zum Spiel nach Leipzig oder Kinder die im Dreck liegen, um unter dem verhangenen Zaun doch etwas vom Training der Mannschaft zu sehen - Matthias Koch kann mit Bildern Geschichten eines besonderen Vereins erzählen, die anderen verborgen bleiben.

Einzigartiges findet man auf den Seiten 106 bis 111. »Solch einen Corona-Ticker gibt es so nicht noch mal«, meint Koch. Vom Ausbruch des Virus über die allgemeinen Auswirkungen auf den Fußball und das Geschehen rund um Union im Speziellen bis hin zum ersten Geisterspiel der Berliner am 17. Mai gegen den FC Bayern ist die Entwicklung aufgeführt. Zahlenfans finden im Statistikteil sogar eine »Geisterspiel-Tabelle«.

Zwischen all den faktenreichen Seiten wird es auch immer mal wieder persönlich, wenn einige der Protagonisten in Wort und Bild porträtiert werden. Den Anfang macht Torwart Rafal Gikiewicz, der in diesem Sommer zum FC Augsburg wechselte. Der »Unioner des Jahres 2019« hat das Vorwort zum Buch geschrieben. In seinen zwei Jahren als Aktiver hat er den Verein so erlebt, wie er oft von außen beschrieben wird: »Union steht für Kampf, Familie und Zusammenhalt.«

Interessantes erfährt man auch über Oliver Ruhnert. »Er sitzt als Fraktionsvorsitzender ehrenamtlich für die Linke im Rat seiner Heimatstadt Iserlohn. Ruhnert empfindet es als Vorteil, dabei über andere Perspektiven nachdenken zu müssen«, schreibt Koch über Unions Sportchef. Michael Parensen beschreibt sich selbst - von A bis Z. Das G steht für Geschäftsstelle: »Statt Spind, Kraftraum und grünem Rasen heißt es für mich jetzt PC, Schreibtisch und hoffentlich ein Blick ins Grüne.« Nach elfeinhalb Jahren im rot-weißen Trikot arbeitet Unions Rekordspieler nun an anderer Stelle für weitere Erfolge der Köpenicker. An diesem Sonnabend fängt wieder alles bei Null an. Wer noch mal zurückblicken will, dem ist Kochs Buch zu empfehlen.

Matthias Koch: Union rockt die Bundesliga. Verlag Die Werkstatt, 165 S., geb, 19,66 €.

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