Schlimmer Fingerabdruck im Pass

Ausweisdokumente sollen fälschungssicherer werden - doch wie, darüber streitet der Bundestag

  • Peter Nowak
  • Lesedauer: 3 Min.

Am vergangenen Donnerstag beriet der Bundestag über den »Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Sicherheit im Pass-, Ausweis- und ausländerrechtlichen Dokumentenwesen«. In der Debatte warben vor allem Redner*innen der Großen Koalition, mit dem Gesetz wolle man den Pass fälschungssicherer machen. Die technischen Möglichkeiten ermöglichen heute bei der Bildbearbeitung das sogenannte Morphing, wie das Verschmelzen mehrerer Bilder genannt wird.

Ziel des Gesetzes besteht darin, solche Manipulationen weitgehend auszuschließen. Doch nur wenige Abgeordnete beschäftigten sich mit Punkt 7 des Gesetzesentwurfs, der dazu geführt hat, dass sich Datenschützer*innen gegen die neuen Bestimmungen wehren und es mittlerweile eine Petition und eine Kampagne dagegen gibt.

Punkt 7 sieht nämlich vor, dass »zukünftig biometrische Daten in Form von zwei Fingerabdrücken in einem elektronischen Medium im Personalausweis gespeichert werden müssen«. Damit soll eine EU-Verordnung umgesetzt werden, die im August 2021 in Kraft treten soll.

Der SPD-Bundestagsabgeordnete Helge Lindh verteidigte denn auch in seinem Statement, dass die Fingerabdrücke im Pass kommen sollten, weil eine EU-Verordnung halt umgesetzt werden müsse. Ganz anders sieht das Ulla Jelpke, die dies strikt ablehnt: »Es ist absolut unverhältnismäßig, eine ganze Bevölkerung dazu zu zwingen, die Fingerabdrücke speichern zu lassen«, erklärte die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion. Sie warnte davor, dass Fingerabdrücke, die zu den persönlichen Daten gehören, von Kriminellen geknackt werden könnten. Ein Fingerabdruck könnte Mobiltelefone öffnen und Zugriff auf sensible Daten geben, gab Jelpke zu bedenken.

Auch Datenschützer*innen lehnen den Fingerabdruck im Pass ab. Alle Bürger*innen würden wie potenziell Tatverdächtige und Verbrecher*innen behandelt, »wenn sie ihre Fingerabdrücke abgeben müssen«, kritisiert Rena Tangens von der zivilgesellschaftlichen Initiative Digitalcourage. Sie hat bereits Mitte August unter dem Motto »Perso ohne Finger« eine Petition gestartet, die im Internet unterschrieben werden kann. Dabei wird auch davor gewarnt, dass unter dem Vorwand, eine EU-Richtlinie umzusetzen, Weichen für die weitere Verwendung von Fingerabdrücken gestellt würden. Digitalcourage befürchtet nämlich, dass bald die Forderung aufkommen könnte, Fingerabdrücke zentral zu speichern und für immer weitergehende Zwecke zu nutzen.

Das Argument vieler Politiker*innen, der Bundestag könne sich nicht gegen die Umsetzung einer EU-Richtlinie wehren, lässt Digitalcourage nicht gelten. »Gerade die deutsche Geschichte sollte uns lehren, wie schnell Daten gegen die Bevölkerung eingesetzt werden können. Deshalb sehen wir den Deutschen Bundestag in der Pflicht, ein klares Zeichen gegen Fingerabdrücke in der Europäische Union zu senden«, heißt es in der Erklärung der Datenschützer*innen.

Der Netzaktivist und Künstler Padeluun, ebenfalls bei Digitalcourage aktiv, fordert die Politiker*innen auf, in diesem Fall die EU-Richtlinie nicht umzusetzen. Die Bundesrepublik könne durchaus diese Verordnung ignorieren, auch wenn dann ein Strafverfahren der Europäischen Union drohe. »Von denen gibt es aber bereits viele. Insofern wäre es nur eine Strafzahlung mehr«, verkündete er lapidar.

Bisher haben mehr als 5000 Menschen die Petition von Digitalcourage unterzeichnet, in der gefordert wird, auf die Unterschrift im Ausweis zu verzichten. Im Europäischen Parlament stimmte nur eine knappe Mehrheit der Abgeordneten für den Ausweis mit Fingerabdrücken. Dort gab es von der Linken, aber auch von Abgeordnet*innen der Sozialdemokraten, Kritik an der Regelung. Auch die SPD-Europaabgeordnete Sylvia-Yvonne Kaufmann hält die verpflichtende Speicherung von Fingerabdrücken für unverhältnismäßig und nicht notwendig. Der Europa-Parlamentarier der Grünen, Sven Giegold, nannte Fingerabdrücke in Ausweisen für ein »sicherheitspolitisches Placebo«. Noch steht kein Termin fest, wann über das Gesetz im Bundestag abgestimmt wird.

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