Geschätzt und gefürchtet

AG. DOK feiert 40-jährige Existenz

  • Peter Nowak
  • Lesedauer: 3 Min.

»Happy birthday, AG DOK« heißt es bis zum 20. September. Unter dem Motto »Film zwischen Kunst und Waffe« werden in zahlreichen Kinos in Berlin und Brandenburg Arbeiten aus der 40-jährigen Geschichte der Arbeitsgemeinschaft Dokumentarfilm gezeigt. Als sich deren langjähriger Geschäftsführer Thomas Frickel nach über drei Dezennien verabschiedete, sparte die Politik nicht mit lobenden Worten. So nannte die Staatsministerin für Kultur und Medien, Monika Grütters (CDU), die AG DOK eine »hochgeschätzte und hochgefürchtete Lobby des Dokumentarfilms«. Die »Taz« schrieb von einer »schlagkräftigen, einflussreichen, aber immer noch basisorientierten Truppe, die nebenbei der größte Branchenverband im zweitgrößten Fernsehmarkt der Welt ist«.

In der Jubiläumswoche wird nicht nur zurückgeblickt, sondern auch in die Zukunft des Genres in einer digitalen Welt, in der selbst Sender wie Arte Dokumentarfilmen zunehmend weniger Raum zur Verfügung stellen. Thematisiert wird auch die durch Corona verschärfte Situation für Filmemacher*innen. Die AG DOK gehörte unlängst zu den Unterzeichner*innen des Aufrufs »Rettet die Filmkultur«.

Der Geburtstagsreigen startete am Montag mit dem Film »Als Erich seine Arbeit verlor«, eine sehr persönliche Sicht auf die »Wende« im Herbst 1989 in der DDR aus dem Blickwinkel des damals jungen Kameramanns Kai von Westermann, der vor 30 Jahren für das französische Fernsehen gearbeitet hat. Von Hyto Steyerl ist »November« zu sehen, ebenfalls sehr persönlich gehalten: Andrea Wolf, eine Jugendfreundin der bekannten Filmemacherin, hatte sich an der Seite der PKK in Kurdistan engagiert und wurde 1998 von türkischen Militärs ermordet. Im Streifen »Nashot ha’chamas« (Die Frauen der Hamas) fragt Suha Affar, wie es möglich ist, dass Frauen in der islamistisch-konservativen Hamas führende Posten einnehmen können. Und Dorothee Wenner klagt in »DramaConsult« die ausbeuterischen Praktiken einer deutschen Firma in Nigeria an; der Name des Unternehmens wurde wohl aus rechtlichen Gründen abgeändert.

Mit »Bitteres aus Bitterfeld« gibt es eine absolute Rarität zu sehen, 1988 klandestin von DDR-Umweltaktivist*innen gedreht und in Westberlin montiert. Beenden wird die Jubiläumswoche am 20. September Medienaktivismus in Berlin und Brandenburg der 80er und 90er Jahre. Es werden einige Folgen des Videomagazins »ak Kraak« vorgestellt, das einst in linken Kreisen Kultstatus hatte und mit dem Kürzel »ak« auf die DDR-Nachrichtensendung »Aktuelle Kamera« anspielte; »Kraak« wiederum ist der holländische Begriff für Hausbesetzungen.

Standen am Anfang Videoclips aus dem Leben der Ostberliner Besetzer*innenbewegung, so wurden die Filme der AG DOK sukzessive professioneller und auch kritischer gegenüber der linken Szene. Vom emanzipatorischen Anspruch vor 30 Jahren, dass durch die technische Entwicklung mit Videokameras und Abspielgeräten für den Hausgebrauch alle Menschen Filme drehen können, ist mittlerweile nur noch die Überfülle an Selfies im Netz geblieben. In diesem Kontext wird die Perspektive des Dokumentarfilms diskutiert, gewiss durchaus kontrovers.

Kurzum, trotz coronabedingter Beschränkungen hat das kleine Vorbereitungsteam um Susanne Dzeik und Natalie Gravenor ein spannendes, kurzweiliges Programm zusammengestellt. Nicht nur Cineasten dürften auf ihre Kosten kommen, wenn sie mit der AG DOK diese Woche Geburtstag feiern.

Informationen zum Programm unter: media02.culturebase.org/data/docs-ag-dok

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